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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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sah; sitzt dort, nicht wie ich ihn in des Lebens Blüte, nein, wie ich ihn auf seinem Sterbelager, wie ich ihn zweimal im Sarge sah.« –
    »Ums Himmels willen, del Cane!«, flüsterte die Gräfin, einen scheuen Blick nach dem Italiener sendend. – Die Hofdame legte bange ihren Arm in den des Kapitäns, in dessen Antlitz sich ebenfalls eine seltsame Bewegung kundtat.
    * * *

    »Erklären Sie nun, meine schöne Philosophin!«, bat der Fürst.
    »Wie soll ich?«, erwiderte die Gräfin sinnend und vergleichend.
    »Was meinen Sie«, fuhr er lächelnd fort, »ein Gespenst?« –
    »Eure Durchlaucht scherzen«, versetzte die Wirtin errötend.
    »Oder eine sonderbare Ähnlichkeit?« –
    »Die natürliche Erklärung, wenn nicht …«
    »Meine Philosophie zweifelt? Es ist also etwas Unheimliches in der Sache.«
    »Man sollte denken, denn Eure Durchlaucht wissen noch nicht, wie gut Ihnen Ihr Gedächtnis dient.«
    »Wieso? Sie machen mich erst neugierig.«
    »Der Name …«
    »Trift nicht zu?« –
    »Doch. Del Canes Name ist Angelo.«
    »Wär’s möglich?« –
    »Und das Mal am Halse …«
    »Findet sich am Ende auch vor?« –
    »Ach, mein Gott, ja …«
    »Sie hätten gesehen?« –
    »Mit diesen meinen Augen. Auf dem letzen Balle erschien del Cane in der romantischen Tracht des Mittelalters, und durch den dünnen Spitzensaum seiner Halskrause brannte wie ein Komet der fatale rote Stern.«
    »Sonderbar!«, murmelte der Fürst, den Kopf wiegend, »Sonderbarer, als ich dachte. Diese zutreffenden Merkmale, meine Überzeugung … es ist sein Gesicht, wie es im Tode war; es ist seine Stimme, seine Gebärde, nur ernster, schleppender, als Stimme und Gebärde sich in dem lebenden Angelo aussprach.«
    »Sein seltsames Benehmen«, fügte die Gräfin bei, »seine düstere Melancholie, die nur augenblicklich hellere Flammen schlägt …«
    »Und er ist Bräutigam?«, fragte der Fürst. »Wie konnte er jenes Herz gewinnen?«
    »Wie bezaubert man unser Herz?«, fragte die Gräfin fein entgegen. »Ist es nicht unergründlich in seinen Launen und Neigungen? Doch hier ist mehr. Florentine ist aus der Familie der Eschen. Seit mehreren Jahrhunderten hat ein seltsames Schicksal dieses Geschlecht betroffen. Die männlichen Sprossen desselben sterben entweder in der Blüte ihrer Jahre oder verfallen in einen stillen Wahnsinn, der nicht auf kurze Zeit bei ihnen einzieht und sich nach der Jahreszeit richtet, wie bei einem gewissen Obersten [28] , aus einem gewissen Geschlechte, in einer Erzählung unseres ritterlichen Fouqués, sondern der sie bis ins Grab begleitet. Die kritischen Jahre sind vom dreißigsten Jahre bis zum fünfunddreißigsten. Die Frauen dieser Familie sind galanter bedacht, und das Fatum lässt es für sie bei einem ausgezeichneten Hang zur Schwärmerei und zum Wunderglauben bewenden, während es die Stammhalter in das Irrenhaus oder in die Gruft stößt. Eine solche liebenswürdige und ängstliche Schwärmerin ist meine gute Florentine und fühlt sich darum schon zu dem geheimnisvollen del Cane hingezogen, dessen eisige Rinde dennoch eine glühende Leidenschaft decken dürfte. Er hat sie gänzlich für sich gewonnen; sie hängt mit voller Seele an ihm, trotz der Abneigung, die ihr Bruder gegen den künftigen Schwager hegt.«
    »Ihr Bruder?« –
    »Ja, Eure Durchlaucht; der letzte männliche Sprosse des Geschlechts von Eschen, mit dem es zu Grabe geht, weil er sich nicht zu vermählen gedenkt.« –
    »Wie steht es denn mit ihm?«, fragte der Fürst, und wies lächelnd auf die Stirne.
    »Ei nun«, erwiderte die Gräfin, »er tritt in die gefährlichen Jahre, und ich denke, er gehört nicht unter die Ausnahmen, die ohnehin in der Familie nur äußerst selten vorgekommen sind, und niemals an den Stammhaltern. Er ist trüben Sinnes, melancholischer Natur, wie man sagt; besucht keine Gesellschaften, hat, wie man behauptet, auf einer berühmten Universität die Arzneikunde mit allem Eifer studiert, um durch die bewährteste diätetische Regel dem Schicksale seiner Vorfahren zu entgehen, wenn es immer möglich ist; … soll sich aber, wie man ebenfalls behauptet, durch sein anhaltendes Studium dem Irrenhause um mehrere Jahre näher gebracht haben.« –
    »Das ist ja ein bedauernswertes Schicksal«, sprach der Fürst. »Und in diese Familie soll noch jener del Cane treten, von dem wir nun im eigentlichen Verstande nicht wissen, ob er zu den Toten gehört oder noch das Recht hat, unter den Lebenden zu wandeln? Was wird da am Ende

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