- Lasst die Toten ruhen
wohl weichen … dem Träumer weiche ich nicht. Darum verlassen Sie sich auf mich. Morgen sehe ich Sie, teile Ihnen meine Pläne mit und dann frisch ans Werk!« –
Ein dankbarer Kuss brannte auf seinen versagenden Lippen. »Harduin!«, lispelte Antonie, »sollte die aufrichtige Reue jene süße Vergangenheit nicht wieder ins Leben zaubern? Keine Buße mich deiner würdig machen können?«
»Meiner würdig?«, wiederholte Harduin und sah sie lang durchdringend an, legte seinen Arm um ihren schlanken Leib und zog sie an sich. »Warum das nicht? Es gilt den Versuch Magdalena [29] ! Büße, bereue; lasse aber deine Reize nicht unter den Büßungen sterben!« –
Die schöne Büßende legte wie träumend den Lockenkopf an seine Brust und blickte schmachtend zu ihm empor. Ihr Lebensfrühling schien aus diesem Blicke zu lächeln, und der Hauptmann ehrte die Mahnung des Abgeschiedenen durch einen Kuss auf Antonies Stirne. Er schob sie dann sanft von sich und lud sie ein, zur Gesellschaft zurückzukehren. –
Sie gerieten in das Getümmel des Aufbruchs. Ihre Abwesenheit war unbemerkt geblieben. Der Fürst verließ das Haus und alles folgte. In ihren Mantel gehüllt hing Antonie am Arme des Hauptmanns und das tückische Ungefähr ließ unmittelbar vor ihnen Florentine mit ihrem Verlobten die Treppe hinuntersteigen. Antonie zitterte vor Wut und Eifersucht am ganzen Körper und presste krampfhaft den Arm ihres Führers, der ihr kaltblütig Ruhe und Schweigen empfahl. Er hob sie in den Wagen und beim Scheiden flüsterte sie ihm noch zu: »Harduin! Rache an diesen und ich bin deine Sklavin auf ewig!« – Der Wagen rollte fort und Antonie, auf der unbedeutenden Gesellschafterin Fragen nicht achtend, schwelgte in schönen Hoffnungen und dem Vergnügen, mit leichter Mühe, durch geringe Künste ihr Ziel erreicht und den auf’s Neue berückt zu haben, dessen Beistand allein ihr frommen konnte. – Der Kapitän warf aber unter dem Peristyl [30] den Mantel um, den ihm der Bediente reichte, sah dem Wagen nach, und murmelte: »Fahre hin! Deine Tränen, deine Küsse, deine Schwüre sollen mich nicht täuschen. Ich bin nicht der Tor einer geheuchelten Wallung. Ich fechte hier in eigener Sache und bloß, um meine Zwecke zu erreichen, verbinde ich mich mit der Mätresse, die ich verachte, wie sich’s gebührt (besonders seit sie allen Einfluss verlor), die mir aber als intrigantes Weib vortreffliche Dienste leisten soll.«
* * *
Sie standen an dem Lager des kleinen Julius, der lächelnd wie der Mai in tiefem Schlummer lag … sie reichten sich die Hände über dem schlafenden Engel, dem ihr Bündnis einen zweiten Vater schenken sollte, und Florentine sprach:
»O mein Angelo! Hier erst, am Lager meines Kindes, erkenne ich ganz die Vortrefflichkeit deines Herzens. O gewiss! Der Vater des Kleinen hat deine Schwüre gehört, dem Verwaisten das zu sein, was Er ihm nicht sein konnte, und er lächelt vom hohen Himmel herab auf unser heiliges Band.« –
»So beschleunige den Augenblick, in dem es unauflöslich geknüpft werde«, erwiderte del Cane, die erglühende Braut an sich ziehend. – »Von dir hängt es ab. Gewähre.« –
»Noch vermag ich’s nicht«, lispelte sie verschämt und sah bittend zu ihm auf. »Habe Geduld mit dem schwachen Geiste des Weibes, das so gerne das Übernatürliche in sein Wohl und Wehe verflechtet. Ich sage dir, dass ich, nachdem du um meine Hand geworben, neugierig hinter den dunklen Vorhang Zukunft blicken wollte, mich in einer verschwiegenen Nacht zu jener klugen Frau stahl, die in der Vorstadt haust …«
»Zu der Kartenlegerin und Prophetin?«, erwiderte del Cane bitter lächelnd. »Ich weiß es; du hast mir’s gestanden, mit jener Scham gestanden, die das Bekenntnis einer Handlung, deren Unrecht wir einsehen, mit sich bringt. Noch jetzt fehlen dir die Worte, das Geständnis zu wiederholen. Die Prophetin sagte dir …« –
»Schone meiner«, flüsterte Florentine und versuchte dem Grollenden mit der kleinen Hand den Mund zu schließen. – Er fuhr aber fort: »Sie sagte dir, dass sie in ihrem Zauberspiegel deinen Verlobten nicht erscheinen sehe … dass ein seltsamer Umstand walten müsse, weil seine Gestalt ausbleibe; dass sie über dein künftiges Los nicht urteilen könne, aus diesem Grunde; dass aber mit der Hochzeitfeier zu zaudern sei, bis zu dem Wonnemond [31] : Dann nur könne sie Glück und Heil versprechen. – Und diesem Gaukelspruch konntest du dich fügen! Der zahnlosen
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