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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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hoffen ließ; allein das Fräulein, seiner Laune nachgebend, wie der vorsichtige Fischer dem zupfenden Fische mit der Leine nachgibt, modelte ihr Benehmen nach dem seinen und wartete geduldig des günstigen Augenblicks. Indessen verstrich die Zeit; Florentine gesundete allmählich; schon sprach die Stadt von ihrer Genesung. Sie konnte also dem sehnsuchtsvollen del Cane kein Geheimnis bleiben. Antonie konnte keinen Vorwand mehr finden, die Erfüllung des Versprechens zu verzögern, das sie ihm gegeben, allein wie sollte sie diesem Versprechen Ehre machen? Wie den Mann wieder bei Florentine einführen, dessen Bild sie mit der letzten Wurzel aus dem Herzen der Leichtgläubigkeit zu tilgen bemüht gewesen? – Diese Bemühung hatte ihr geglückt, besser, als sie es hoffen durfte; denn Weibersinn ist ein trügerisches Meer … und diesen Sieg sollte sie sich selbst rauben? Rauben, um ihr Wort zu erfüllen? Eine Törin tut das, eine Antonie nicht. Sie kannte nur punische Treue [40] .
    Der ungeduldige Angelo fand die Freundin nicht mehr zu Hause. Alle Türen der Residenz schienen für ihn verschlossen. Umsonst brach er in Klagen, in Verwünschungen aus; umsonst wies er lockendes Gold. Die Zofe der Maltingen belächelte seinen Kummer, der rohe Portier in Eschens Hotel war der Bestechung unzugänglich. Del Cane war in Verzweiflung. Dass etwas vorgegangen sein müsse, schien ihm erwiesen. Diesem Etwas auf den Grund zu kommen, suchte er die List seines Vaterlandes hervor und drang in einer unscheinbaren Verkleidung eines Morgens in Florentines Gemach. Sie war nicht allein, wie er gehofft. Antonie war bei ihr. Das Fräulein wurde blutrot bei seinem Anblick; Florentine fuhr entsetzt auf.
    »Um Gottes willen«, rief ihr del Cane in heftiger Bewegung zu: »Florentine, meine Braut! Was ist zwischen uns getreten? Sage an, was ist geschehen, dass ich gleich einem Diebe mich zu dir schleichen muss?«
    Florentine fand keine Worte.
    »Mein Herr«, begann die gefasste Antonie und warf ihm einen bedeutenden Blick des Einverständnisses zu, seine Ungeduld ließ sie aber nicht endigen. –
    »Kein Wort von Ihnen, mein Fräulein«, erwiderte er heftig, »mit Florentinen muss ich reden, mit ihr …«
    »Ich will nicht stören«, versetzte Antonie gekränkt und stand auf. –
    »Bleiben Sie, Antonie!«, rief ihr Florentine ängstlich zu. –
    Die Schlaue antwortete aber mit sardonischem Lächeln: »Nicht doch! Liebende hassen den überlästigen Zeugen!«, und eilte in das Nebenzimmer, ihre Freundin durch einen Wink zu Mut und Festigkeit ermahnend.
    »Nun, meine Florentine«, fragte Angelo nach kurzer Pause, »werde ich endlich aus deinem Munde erfahren?«
    Florentine schwieg, von den widrigsten Empfindungen bestürmt. –
    »Du schweigst?«, fuhr Angelo fort: »Ich vergehe vor deinem Schweigen und du beharrst darauf? Noch nie habe ich an deiner Aufrichtigkeit, an deinem Vertrauen gezweifelt und nun …«
    »Sie fordern Vertrauen, Aufrichtigkeit von mir?«, fragte Florentine mit schneidendem Tone, »Sie von mir?« –
    »Diese Sprache …«, versetzte del Cane bebend.
    »Ist die Sprache der Enttäuschten«, erwiderte Florentine heftiger. »Unglücklicher! Vergebens verhehlen Sie, was mir nicht verborgen bleiben konnte. Der Schleier fiel von Ihrer Vergangenheit und belehrte mich über meine Zukunft. Ich weiß alles, del Cane, alles, und dass ich es weiß, trennt uns …«
    Angelo fuhr zurück, denn der Blitz, der mit diesen Worten vor ihm einzuschlagen schien und seine schönsten Hoffnungen unerbittlich zermalmte, hatte sein Innerstes gestreift …
    »Alles? Alles weißt du?«, stammelte er vernichtet. »Alles? Weh mir! Dann ist’s vorbei, mein Urteil gesprochen. War’s ein Dämon der Hölle, war’s ein zürnender Gott, der dir es zuraunte? Gerecht ist der Spruch, er stamme vom Himmel oder aus dem Abgrunde. Ich wollte glücklich sein durch ein Verbrechen, und es zerschmettert mich. Hasse mich nicht, fluche mir nicht; du siehst mich nie wieder!«
    Halb bewusstlos taumelte er zu der Tür hinaus und verließ Florentine in den Qualen ihres Kummers. Antonie aber trat, Sieg und Rache auf der Stirne, aus dem Nebenzimmer, umarmte die verratene Freundin und lispelte: »Tröste dich, Florentine. Das Unvermeidliche ist geschehen und mit Recht, denn ich fürchte, er ist strafbarer, als wir glaubten!«
    * * *

    Angelo an den Malteserkomtur Marsigli in Wien.
    »Als ein heftig schneidender Schmerz an meiner Rechten mich gewaltsam weckte aus meinem

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