Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
Vom Netzwerk:
in früheren Tagen nicht ungern zu sehen, mich zu achten. Ihr zweimonatiger Ruf machte mir es damals zur Pflicht, sie zu meiden … Aber nun … was kümmert mich auch ihr Ruf? Zu ihr! Sie werde die Mittlerin zwischen mir und einem wahnsinnigen, hartherzigen Bruder!«
    Auf der Stelle flog er zu ihr. Sie hatte die Nacht bei Florentine zugebracht, einige Morgenstunden zu Hause verschlummert und war so eben mit der Toilette beschäftigt. Das Kammermädchen versicherte, ihre Gebieterin empfange zu dieser Stunde keine Seele. Del Cane drang aber darauf, gemeldet zu werden, und sein Ungestüm oder sein Gold siegte über des Mädchens strengen Diensteifer. Sie ging und öffnete einen Augenblick nachher die Türe. Antonie saß in dem einfachsten effektreichsten Nachtkleid vor dem Spiegeltisch. Die lockendsten Umrisse zeichnete der weiche Musselin, und die eng verhüllten Reize sprachen nur um so siegreicher zu den Augen des lüsternen Bewunderers. Ihr schönes Haar war in das natürlichste Gebäude verflochten und schmuck-, aber nicht kunstlos umflossen die weichen Locken ihr blasses Gesicht, denn die Schlaue hatte noch nicht auf ihre Wangen die Rosen gezaubert, die ihr von der Unschuld längst versagt waren. – Mit unwiderstehlicher Anmut wendete sie sich zu dem Eintretenden und reichte ihm, wie einem alten Freund, die weiche Hand entgegen. Del Cane küsste sie, fühlte leisen Druck und begann mit Entschuldigungen. –
    »Sie machten sich eine undankbare Mühe«, lächelte Antonie, »die Neugier des Weibes hat Ihnen Pforten so schnell geöffnet. Es muss auch in der Tat von der höchsten Wichtigkeit sein, was der unbedeutenden Maltingen die Ehre dieses Besuchs gewährt.«
    »Sie beschämen mich, mein Fräulein«, versetzte del Cane, »Sie sammeln glühende Kohlen auf mein Haupt, und ich würde Sie boshaft schelten, thronte nicht die reinste Güte und schöne Menschlichkeit auf Ihren Wangen.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Antonie scheinbar befremdet. –
    »Sie haben der kranken Freundschaft eine Nacht aufgeopfert, an ihrem Lager gewacht. Die Lilien dieser Wangen, das gemilderte Feuer dieser Augen verkündet mir …«
    »Sagen Sie lieber: Mein Kammermädchen hat es Ihnen vertraut. Warum sollte ich auch leugnen, was kein Verdienst ist?« –
    »Keines?«
    »Florentine würde dasselbe für mich tun.«
    »Allerdings. Ich bürge Ihnen mit meinem Kopfe dafür; sie würde es. Aber, ich komme …«
    »Doch nicht, um mich der Christenpflicht wegen zu beloben?«
    »Nicht doch. Um Ihnen dafür zu danken.«
    »Das ist Ihre Pflicht als Bräutigam. Dem Gatten würde es höher angerechnet.«
    »Der Gärtner hegt und pflegt die sprossende Blume, weil er an ihrer Farbenpracht, an ihrem Dufte sich zu laben gedenkt.«
    »Nun?« –
    »Ist aber die Blume zur Reife erblüht, hat sie dem Pfleger Balsam und Schimmer gespendet, so mag sie immerhin welken in einsamen Winkel. Der Gärtner zieht andere zu gleichem Lose und vergisst ihrer ebenfalls.« –
    »Das tut doch nur der Leichtsinnige, der strafbare Gärtner?«
    »Der Gärtner ist ein Mann und folglich leichtsinnig, folglich strafbar.« –
    »Halten Sie mich auch für einen solchen?« Antonie sah den Frager lange gefühlvoll ins Auge, reichte ihm dann die Hand und sprach ohne Ziererei:
    »Sie, del Cane? Sie? O nein!«
    »Dieser Scherz …« –
    »Hat er Sie verletzt?«, fragte sie schmeichelnd. »Vergeben Sie mir. – Verzeihen Sie mir und ich verzeihe Ihnen die Vernachlässigung, mit der mich bisher der Mann belohnte, den ich hoch schätze und nach dessen Achtung ich rang.« –
    »Ich fühle jetzt erst schmerzlich, wie sehr ich …«
    »Keine Lückenbüßer!«, fiel Antonie ein. »Sehen Sie mich an. Vergebung, gegenseitige Vergebung, oder Feindschaft – wählen Sie.«
    »Kann man diesen Wunderaugen gegenüber noch eine Wahl haben?«, fragte del Cane begeistert und drückte einen feurigen Kuss auf ihre Hand. Antonie senkte den zärtlichen Blick von del Canes Antlitz zum Boden nieder und ließ nachlässig ihre Hand in der seinigen.
    »Was führt Sie zu mir, mein versöhnlicher Freund?«, fragte sie gleichsam verlegen, wie sie das Gespräch wieder anknüpfen wolle. –
    Del Cane erzählte, und es wogte in eifersüchtiger Bewegung Antonies Busen, als sie aus den glühenden Worten des Südländers ersah, welche Liebe er unter dem kalten Äußeren barg. Kein Zug verriet indessen, was in ihrem Inneren vorging, und sie war bald ihrer mächtig genug, den Bittenden ihres getreusten Beistandes zu

Weitere Kostenlose Bücher