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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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Todesschlummer, ich mich im Sarge fand, in einem aufgewühlten Grabe liegend, in welches eine düstere Laterne ihre schwachen Strahlen warf; als ich zum völligen Bewusstsein mich ermannte, den Totengräber auf mir knien sah, mit dem blanken Messer in der Faust, der schon begonnen hatte, mir den Zeigefinger abzulösen, an dem ich meinen kostbaren Ring trug, um sich des Kleinods zu bemächtigen, dessen er auf glimpflichere Weise nicht mächtig werden konnte … Als ich aufzuckte im Schmerz, dem Räuber an die Kehle fuhr, der in ohnmächtiger Furcht die Waffe sinken, sich von mir aus der Grube reißen ließ … als ich mich da in kalter Nacht, auf dem Kirchhofe, von Leichensteinen umgeben, im Totengewande sah, … glaube mir, mein Bruder, es war ein fürchterlicher Augenblick und ich dachte, es könne keinen entsetzlicheren das Leben erzeugen, keinen, mehr dazu geeignet, den Verstand in Torheit umzuwandeln; aber ich irrte mich. Seine Folgen waren segensreich für meine wunde Brust. Ich überlegte wenige Augenblicke und konnte dem elenden Leichenräuber von Herzen verzeihen, der wimmernd zu meinen Füßen kroch und um Schonung für sein Weib, für seine Kinder bettelte, seinen Frevel auf die Armut schob. Ich konnte mir kaltblütig alles von ihm erzählen lassen, was sich mit mir ereignet hatte; ich erfuhr, dass sie da gewesen, mich auf der Bahre gesehen, und mein Plan war fertig. Ich war tot, tot für sie und die Welt, wer war glücklicher als ich? Ich und mein Totengräber lernten uns verstehen, gelobten uns ewige Verschwiegenheit und die Hälfte der Summe, die ich aus meinem Solitär [41] löste, war sein. Nach wenigen Tagen verließ ich M*** bei Nachtzeit und pilgerte nach dem Orte, von wo ich an dich schrieb. Der alte Hillario hatte seinen Auftrag ausgerichtet, seine Pflicht erfüllt, dir die Botschaft meines Todes gebracht. Hier schloss seine Laufbahn. Er erfuhr mein Wiedererwachen nicht mehr. Leicht sei ihm die Erde. Er war einer der Wackersten unter den Sterblichen. Du bist aber der Erste unter ihnen, Bruder, der mein Vertrauen völlig gerechtfertigt hat. Redlicher Universalerbe! Ich bat nur um einen Teil dessen, was dir in meinem Testament zufiel, und du gabst das Ganze. Du schwurst mir unverbrüchliches Schweigen bei deinem Rittereid! Dein Mitwirken machte mich völlig glücklich. Ungebunden, frei von den Fesseln, die mich blutig gedrückt hatten, schweifte ich umher und mein Unstern führte mich hierher. Mein glühendes Herz, das ich nicht mit meiner Jugendblüte in dem Grabe zurückließ, klopfte bei Florentinens Anblick heftig … Nach ihrem Besitz strebten meine Sinne, meine Gefühle! … Ich war taub gegen deine Ermahnungen … stand auf dem Punkte, ein Verbrechen zu begehen, das vielleicht mit mir hinübergegangen, vielleicht auch an das Licht gekommen wäre, wenn es zum Zurücktreten schon zu spät gewesen sein würde; aber dieses Verbrechen hätte mich glücklich gemacht und nun … o mein Bruder! Beneide oder bemitleide mich! Nun ist alles vorbei. Ein entsetzlicherer Augenblick als jener auf dem Kirchhofe zu M*** ging an mir vorüber, denn Florentine hat alles erfahren und ich stand vor ihr, in dem vernichtenden Bewusstsein des ertappten Frevlers. – Was ich seit einigen Tagen leide, geht über allen Begriff. Heute erst finde ich den Mut, dir zu schreiben, dir zu melden, dass der Zufall mich vor Sünde gerettet, … dass er mich elend gemacht hat. Elend und schwach; denn gerne möchte ich den Ort fliehen, an dem sie weilt, die mich verworfen hat, und ich vermag es nicht. O hilf, rate mir! Tröste mich! Nur an deiner Brust kann ich Ruhe finden … nur an deinem Busen mich ausweinen über mein Vermächtnis!«
    * * *

    Angelo sandte den Brief auf die Post und erhielt im nämlichen Augenblick ein zierliches Billet. »Sie wurden unwürdig behandelt«, schrieb Antonie, »ich hörte es mit empörter Seele. Verstehen Sie nun, was ich Ihnen vor Wochen sagte? Florentine hat Sie niemals verdient, war Ihrer Liebe niemals wert. Ein elendes Geschwätz hat die Wetterwendische betört. Meine Bemühungen waren umsonst. Mein Zartgefühl vermochte es nicht, Sie auf das, was sich begab, vorzubereiten. Wollen Sie aber Aufschluss erhalten, woher die niederträchtige Kabale stammt, der die Baronin verdienterweise unterliegt, während Sie als unschuldiges Opfer fallen, so schenken Sie den morgenden Abend Ihrer aufrichtigen Freundin.«
      
    Del Cane lächelte bitter, schrieb unter das Billet die Worte: »Was geschehen ist,

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