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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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sie auch leicht auf die falsche Fährte locken. Zentral ist das Bild des Blut-aus-der-Brust-Saugens. Dieses scheint für die Vampirgeschichten das wichtigste Erkennungsmerkmal gewesen zu sein. Auch auf das blasse, leichenhafte Äußere wird mehrfach hingewiesen. Sieht man von Hoffmanns fragmentiertem Vampir ab, der, ohne zu saugen, in die Brust beißt, so wird tatsächlich in allen frühen Vampirgeschichten das Blut aus der Brust gesogen, und alle ihre Vampire sind mehr oder minder leichenhaft.
    Das verborgene rote Mal am Hals von del Cane führt indes in die Irre – der moderne Leser denkt hier gleich an einen Vampirbiss, was vermutlich auf die verschiedenen »Dracula«-Verfilmungen zurückgeht, in denen Lucy züchtig diese Zeichen verbotener Leidenschaft verbirgt. Aber hier ist es nur das, was es zu sein scheint: Ein nicht leicht zu überprüfendes Identitätsmerkmal.
    Schwieriger ist es mit den folgenden Elementen. Da ist zunächst Trudes Zauberspiegel, der del Cane nicht zeigt – spätestens seit Bram Stokers »Dracula« gehört das Spiel mit dem Spiegelbild zu den Topoi der Vampirliteratur. Doch verweist auch Spindler auf diese Unsichtbarkeit? Zwar erwähnt keine der erhaltenen älteren Geschichten diesen Topos, aber in Sagen findet er sich durchaus. Näheres dazu findet man bei Peter Mario Kreuters »Der Vampirglaube in Südosteuropa«. Außerdem täuschen die Vampire dieser Erzähltexte regelmäßig. Nun ist der Spiegel schon länger ein Mittel der (magischen) Wahrheitsfindung, hier sei nur an Schneewittchens Mutter erinnert. Auch die Verknüpfung mit dem Tod ist alt: Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein hielt man vermeintlich Toten einen Spiegel dicht vor das Gesicht, und wenn das Glas beschlug, dann atmete der Betreffende noch. Die Verbindung von Toten, Wahrheit und Spiegeln ist uralt und an dieser Stelle zu unklar, um eindeutig auf die Unsichtbarkeit des Vampirs im Spiegel zu verweisen.
    Das Motiv des weisen Narren, des Wahnsinnigen, den die Selbsttäuschung des rationalen Geistes nicht betreffen und der daher einen privilegierten Zugriff auf die Wahrheit hat, wie Emilie aus Rauschnicks »Die Totenbraut«, ist weit bekannt – er findet sich schon im Schwanenzyklus des antiken Fabeldichters Äsop. In Spindlers Novelle erweist er sich jedoch keineswegs als Weiser, sondern als leicht beeinflussbarer Hysteriker. Sein Bild vom Vampir, der dem Opfer das Blut aus dem Gehirn saugt, ist damit schlicht falsch. Es ist nichtsdestoweniger wirkungsstark gewählt und verweist wiederum auf den Vampir, der den Verstand seiner Opfer manipuliert.
    Interessant ist noch Trudes Vision vom mittels Rüssel saugenden Vampir. Nach Matthew Busons reißerisch betiteltem Lexikon »Das Buch der Vampire« waren Rüssel oder Zungenstachel gelegentlich in ostslawischen und bulgarischen Sagen zu finden. Einen Nachhall spürt man bisweilen in Geschichten wie Suzy McKee Charnas’ hervorragendem »Der Vampir-Baldachin« aus dem Jahr 1980.

Vorbemerkung
    Leopold von Sacher-Masoch wurde 1836 in Lemberg geboren. Er studierte in Prag und Graz Geschichte und Philosophie, habilitierte im Alter von nur zwanzig Jahren, lehrte einige Jahre an der Universität von Graz als Privatdozent Geschichte und später als Professor in Lemberg. Mit zweiundzwanzig veröffentlichte er »1846 – Eine galizische Geschichte«, seine erste Novelle. Er begann schon in Graz seine universitären Pflichten zu vernachlässigen und wendete sich stattdessen zunehmend der Literatur zu. Eine endlos scheinende Reihe von Affären mit Frauen ruinierte seine Finanzen, und für einen Ehebruch wurde er sogar zu einigen Tagen Gefängnis verurteilt. Er flüchtete davor mit seiner Familie nach Leipzig, wo er von 1881 bis 1885 die progressive Zeitschrift »Auf der Höhe« herausgab, in der Themen wie die Gleichstellung der Juden und die Emanzipation der Frauen behandelt wurden. Nachdem er den Rest seiner Bonität verloren und seine Frau Aurora ihn und die gemeinsamen Kinder verlassen hatte, nahm seine zehn Jahre jüngere Assistentin Hulda Meister sich seiner an. Von 1890 an arbeitete Sacher-Masoch für einige Jahre als Feuilletonist, bevor er 1895 starb.
      
    Sacher-Masochs Werke behandelten vor allem zwei Themenkomplexe. Zum einen schrieb er realistische Geschichten über das Leben in Galizien, in denen er bisweilen philosemitische und emanzipatorische Standpunkte zum Ausdruck brachte, zum anderen befasste er sich mit der erotischen Lust, die aus physischem Leid und Unterwerfung

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