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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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für sich, er erzählte vortrefflich, was ihm bei vielen den Ruf eines Aufschneiders eintrug, dafür bestritt er aber auch in der Regel die Kosten der Unterhaltung, ohne dabei je dem bescheidenen Wesen untreu zu werden, das den Polen in Damengesellschaft so liebenswürdig macht. Wir wurden schnell vertraut, besuchten uns gegenseitig und gingen viel zusammen auf die Jagd. Wenn wir dann recht müde und ausgehungert, gleich den Sieben Schwaben [56] , mit einem Hasen als Beute bei ihm ankamen, wurde sofort der Samowar hereingebracht, und der brave Valenty kam, uns die kotigen Stiefel auszuziehen. Dann half kein Verwahren, ich musste ein Paar von Manweds Saffianpantoffeln anziehen und einen seiner köstlichen Schlafröcke, er selbst stopfte mir die lange Pfeife, und mir blieb nichts anderes übrig, als die Nacht unter seinem gastlichen Dache zuzubringen.
    Dann trieb er allerlei Possen, zog die Leintücher aus den Betten, hüllte sich in dieselben und wandelte als Gespenst im Hause umher, seufzend und wehklagend, um endlich den alten Valenty, der inbrünstig betete, bei den Füßen unter seinem großen Kotzen [57] hervorzuziehen und den Mägden mit einem über dem Lichte geschwärzten Kork Schnurrbärte zu malen.
    In der Nähe von Manweds Edelhof lag einsam auf einem breiten und flachen Felsen das alte halbverfallene Schloss Tartakow, von dem im Munde des Volkes mancherlei unheimliche Sagen lebten.
    Einmal, an einem schwermütigen Winterabend, während der Schnee mit weißen Geisterfingern leise an die Fenster pochte, der Wind dem roten Kaminfeuer wunderliche Melodien entlockte und in weiter Ferne ein Wolf heulte, brachte Aniela die Rede auf dasselbe.
    »Haben Sie schon gehört«, sagte sie, »dass die Ruine bewohnt sein soll?«
    »Wer kann in dem öden, zerbröckelten Mauerwerk wohnen als etwa Eulen oder Raben?«, bemerkte Herr Husezki sehr verständig, wie es einem gebildeten, mit den Wissenschaften vertrauten jungen Mann ziemte.
    »Nun, es gibt allerhand Bewohner dort«, versetzte Frau Bardoßoska, »wenn man den Landleuten glauben darf.«
    »Das ist gewiss, dass ein alter, grauer Mann oben zu sehen ist, eine Art Kastellan«, sagte Aniela, »er trägt Kleider, wie man sie vor vielen Hundert Jahren getragen hat, und unsere Bauern behaupten, er sei an tausend Jahre alt, und in einem großen, wohlerhaltenen Saale steht ein zauberhaft schönes Marmorweib mit toten weißen Augen, das soll in gewissen Nächten lebendig werden und durch die düsteren Gänge wandeln, allerlei Spuk im Gefolge, und seltsame Stimmen werden dann laut, ein wildes Heulen, ein schmerzliches Klagen, ein süßes Locken …«
    »Bah«, machte der Adjunkt, »eine Äolsharfe [58] , ich selbst habe sie schon gehört.«
    »Wer weiß – der Boden hier ist von Dämonen bevölkert«, sprach Manwed, »in den Hütten der Bauern rumort der Did und hilft heimlich die Kühe melken, fegt die Stuben, wäscht das Geschirr, striegelt die Pferde und lässt sich nur dann blicken, ein Männchen von einem Fuß Höhe und langem grauem Bart, wenn der Herr des Hauses sterben soll; an dem Ufer der Teiche und Flüsse, im schwarzen Dickicht, wiegt sich die Russalka auf schwankenden Zweigen und singt und bindet aus ihrem Haare goldene Fesseln, mit denen sie den Betörten, der ihr naht, gefangen nimmt, und eine goldene Schlinge, in der sie ihn erwürgt; in den von grünem Gitterwerk verschleierten Höhlen des Gebirges wohnen die mutwilligen und verliebten Majki, welche hoch oben auf grünen Wiesen ihre Zaubergärten mit goldenen Zäunen einschließen, Brücken aus Perlen über die rauschenden Wasser bauen und auf blumigen Waldblößen tanzen, sie entführen Jünglinge, die ihnen gefallen, und bezaubern sie mit ihren duftigen, bekränzten Locken, ihren zarten Gliedern; aber in ihrem schönen Antlitz, in ihren blitzenden Augen wohnt keine Seele. Wie Wölfe in Rudeln durchstreifen die wilden Weiber, die das Volk auch die Göttinnen nennt, Wälder und Berge, ein entsetzliches Geschlecht, das die Kinder der Menschen entführt und ihre hässlichen Wechselbälge in ihrer Wiege zurücklässt, das die alten Männer zu Tode kitzelt und die jungen nach der Brautnacht grausam erdrosselt. Unter dem Volke wohnen auch die Wissenden, welche die geheimen Kräfte der Natur beherrschen, welche das Pestkraut kennen und die giftigen Schlangenbisse heilen, sie können den Sternen das Licht nehmen und den Menschen die Gesundheit; wenn ihr Leib schläft, fliegt ihre Seele als Vogel aus, und zu gewissen

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