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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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hatte sich erhoben und Manweds Hand ergriffen. »Wo ist der Ring, den ich Ihnen gegeben habe?«, fragte sie, die sonst so klare Stirne von tiefem Schatten überflogen.
    »Ich habe ihn nicht.«
    »Ein passender Scherz!«, rief Kordula.
    »In der Tat«, fügte ihr Verehrer bei.
    »Kein Scherz«, sagte Manwed, »den Ring hat die marmorne Tote.«
    Niemand sprach mehr ein Wort von der Sache, aber alle waren sichtlich verstimmt und so beeilte sich Manwed aufzubrechen. Ich begleitete ihn zu seinem Schlitten.
    »Glaubst du nicht, dass es an der Zeit wäre, dein Benehmen zu ändern?«, fragte ich.
    »Also auch du meinst, dass ich scherze«, erwiderte er gereizt, »gut, ich aber sage dir, dass ich keinen Willen mehr habe, dass meine Seele einem Dämon in Venusgestalt verfallen ist und dass ich diese kalte, tote Schöne, ohne Herz, ohne Sprache, ohne Augen, liebe wie ein Wahnsinniger.« Dann fuhr er fort.
    Ich fand, in das Haus zurückgekehrt, alle Anwesenden in unbeschreiblicher Aufregung. Maurizi schwor, dass er nicht allein nach Hause fahren werde, der Adjunkt sprach belehrend von der Macht der Einbildung über den Menschen, die Gefühle des Herrn Bardoßoski verdolmetschte uns ausschließlich seine lange Pfeife, welche gleich einem kleinen Kinde greinte und wimmerte. Niemand hatte Lust, etwas zu sich zu nehmen, und die Tarockkarten lagen unberührt. Plötzlich zog die Hausfrau die Brauen zusammen und blickte auf das Fenster.
    »Wer steht denn dort?«, fragte sie kleinlaut.
    Wir sahen jetzt alle zugleich eine weiße Gestalt, von dem bleichen Lichte des Mondes mysteriös beschienen.
    »Sie ist es«, murmelte Maurizi, »sie sucht ihn.«
    »Wer?«, fragte Aniela, von Eifersucht erfasst; ihre Stimme bebte.
    »Das Marmorweib, wer sonst?«, erwiderte Maurizi. Er winkte mit der Hand, als wollte er sagen: Der, den du suchst, ist fort, weit von hier. Aber die weiße Gestalt rührte sich nicht von der Stelle.
    »Meine Pistolen«, keuchte Herr Bardoßoski, »ich will eine geweihte Kugel laden, wir wollen doch sehen –«, er vollendete nicht, sondern nahm seine Kuchenreiter von der Wand und ließ den Hahn knacken.
    »Reden Sie doch mit ihr«, flehte Aniela.
    »Madame«, begann Maurizi mit einer wahrhaft erbärmlichen Stimme, »er ist nicht da, er ist nach Hause gefahren, wenn Sie sich ein wenig beeilen, können Sie ihn noch einholen. Für Sie ist das ein Scherz.« Seine Zähne klapperten. »Sehen Sie doch«, fuhr er fort, mich in den Arm kneipend, »den feurigen Atem, den das schreckliche Weib von sich gibt. Ist das nicht merkwürdig?«
    »Noch merkwürdiger ist es«, sagte der alte Herr mit einem behaglichen Gelächter, »dass das Gespenst eine Pfeife im Mund hat und aus derselben raucht.«
    Er ging langsam zum Fenster, öffnete es, und nun sahen wir den ganzen Spuk mit heiterer Deutlichkeit im Mondlicht dastehen. Aus dem Hofe tönte ein mutwilliges Gelächter. Ein Schneemann mit einem großen Kopf und einem runden, urdummen Gesicht stand mit dicken Beinen in der Stellung eines Matrosen da. Der Kutscher und der Bediente hatten ihn mit aller Kunst, die ihnen zu Gebote stand, aufgerichtet, und der Kosak hatte ihm seine kurze, brennende Pfeife in das breite Maul gesteckt. Nun gab es ein lautes, ausgelassenes Lachen im Zimmer und im Hofe, wo sich die Spitzbuben hinter einem Leiterwagen versteckt hatten, der Samowar wurde aufgesetzt, die Tarockkarten kamen zu Ehren und wir unterhielten uns auf das Beste bis nach Mitternacht.
    Manwed kam an dem folgenden Abend zu Bardoßoski mit dem festen Vorsatze, sich mit Aniela auszusöhnen. Sein traumhaftes, an geistige Verwirrung grenzendes Wesen schien vollkommen gewichen, alles an ihm verriet Ernst, Entschiedenheit und Reue. Er zögerte nicht lange mit seiner Erklärung. Als Aniela bleich, mit halbgeschlossenen Augen hereintrat, ging er auf sie zu und verneigte sich tief.
    »Mein Fräulein«, begann er in einem schlichten Tone, der zum Herzen sprach, »ich habe sie durch ein ebenso rätselhaftes als von Ihrer Seite in keiner Weise verdientes Betragen gekränkt, ich bin mir meiner Schuld vollkommen bewusst und bitte Sie, mir zu vergeben.«
    »Bravo!«, rief der alte Herr und klatschte kräftig in die Hände, als gälte es, einem Liebhaber auf der Bühne bei einer gelungenen Szene Beifall zu spenden.
    Aniela wollte etwas erwidern, brachte es aber nur zu einer lautlosen Bewegung der blassen Lippen.
    »Gib ihm die Hand«, sagte die Mutter.
    Das arme Mädchen streckte gleich beide Hände aus, und Manwed

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