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- Lasst die Toten ruhen

- Lasst die Toten ruhen

Titel: - Lasst die Toten ruhen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Kotowski
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klopfte oben im Getäfel, und unter der Diele nagte ein Mäuschen. Und wir küssten uns.
    Meine Glut, meine Raserei erwärmte und löste vollends ihre starren, weißen, göttlichen Glieder, welche wie Feuer brannten oder wie grimmiger Winterfrost, sie atmete schwer, ihre Lippen zuckten in dem sinnverwirrenden Stammeln holder Leidenschaft auf und versengten mich mit ihren eisigen Küssen. Ich empfand die Qualen des Scheiterhaufens und fühlte die Marter des Erfrierenden, bald war es, als leckten wilde Flammen zu mir empor, bald schien sich das eisige Leichentuch des Schnees über mich zu breiten.
    »Gib mir zu trinken!«, sagte sie plötzlich.
    »Was befiehlst du?«, fragte ich.
    »Wein«, gab sie zur Antwort. Zugleich deutete sie auf einen Glockenzug in der Nähe der Türe.
    Ich zog die Glocke. Ihr Ton durchzitterte schauerlich das weite, öde Gebäude; nicht lange, und eine Stimme, die aus dem Grabe zu kommen schien, fragte nach unseren Befehlen.
    »Wein, Alter!«, sagte ich.
    Wieder nach einer Weile pochte es an der Türe, und als ich hinaustrat, stand der Kastellan mit einer Flasche da, auf der noch der Staub des Kellers lag, und zugleich zitterte in seiner Hand ein silbernes Brett, auf dem zwei Glaspokale leise aneinanderklangen.
    Ich schenkte einen derselben voll mit glutrotem Burgunderwein und reichte ihn ihr. Sie setzte ihn an und schlürfte das Blut der Reben ebenso gierig wie meine Küsse, und als ich das Glas auf ihren Wink zurückgestellt hatte, legte sie den Arm um meinen Nacken und saugte sich fest an meinen Lippen. Eine wundersame Mattigkeit kam über mich, sie schien mir Atem, Leben und Seele zu nehmen, ich meinte zu sterben, der Gedanke, in den blutgierigen Händen eines weiblichen Vampirs zu sein, flog wie ein Schatten über mich, aber es war zu spät, ich hatte mich in ihren Locken verwickelt, meine Hände wühlten in ihrem dämonischen Haare, und ich verlor das Bewusstsein.
    Als ich zu mir kam, sah ich mit namenlosem Erstaunen, dass ich weder in den Armen eines Vampirs noch in den Armen einer Statue oder eines toten Dämons lag. Ein lebendiges, schönes Weib mit großen, blühenden Formen, deren plastischer Marmor von warmem Blut durchglüht war, sah neugierig auf mich herab mit feuchten, dämonenhaften Augen. Das fein geschnittene Oval ihres bleichen Gesichtes leuchtete von keuscher Holdseligkeit, ihr fabelhaftes Haar, zugleich feuriges Gold und weiche Seide, erglänzte um sie wie eine Gloriole, wie die Flammenrute eines Kometen. Eine Atmosphäre voll Duft umgab sie. Sie hatte keinen Schmuck an sich, nicht einmal einen schlichten Reif, wie er die Arme der gemeißelten Göttinnen ziert, dafür glänzten ihre Zähne wie zwei Perlenreihen in dem Rubinmund und ihre Augen warfen gleich kostbaren Smaragden ein grünes Licht.
    »Bin ich schön?«, fragte sie endlich mit ihrer matten, röchelnden Stimme.
    Ich konnte nicht sprechen. Der verschwommene, sonderbare Glanz ihrer lauernden Augen benahm mir den Atem. Ihr verlangender Blick ergriff mein Herz mit Pantherkrallen, ich fühlte mein Blut rieseln wie ein zu Tode Verwundeter, vorübergehend flackerte in ihren Augen ein drohendes Feuer auf, dann senkte es sich über dasselbe wie der geheimnisvolle Schleier, den der Mond über die Landschaft breitet.
    »Bin ich schön?«, fragte sie noch einmal.
    »Ich habe ein Weib, wie du es bist, noch nie gesehen«, gab ich zur Antwort.
    »Gib mir den Spiegel!«, sagte sie hierauf.
    Ich hob den schweren Spiegel von der Wand und stellte ihn vor sie hin, sodass sie ihre ganze liebreizende Gestalt betrachten konnte. Sie tat es mit lächelndem Entzücken und begann dann, ihr goldrotes Haar mit dem Elfenbeinkamm ihrer Finger zu kämmen und zu ordnen. Endlich schien sie von ihrer Schönheit gesättigt und hieß mich den Spiegel an seine Stelle setzen. Als ich nun wieder andächtig vor ihren Füßen lag und in ihr Antlitz schaute, murmelte sie: »Ich sehe mich in deinem Auge«, und ihre Lippen berührten schmeichelnd meine Lider.
    »Komm«, gebot sie dann, »lass uns das grausame süße Spiel der Liebe erneuern.«
    »Ich fürchte mich vor dir und deinem roten Munde«, erwiderte ich zögernd. Sie lachte. Es war ein verlockendes Lachen voll holder Üppigkeit.
    »Oh, du entfliehst mir nicht!«, rief sie, und schon hatte sie mich mit einer ungestümen Bewegung in ihrem Haar gefangen, dann drehte sie einen Teil desselben rasch zu einer Schlinge, legte sie um meinen Hals und zog sie langsam zusammen.
    »Wenn ich dich jetzt erwürgen

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