- Lasst die Toten ruhen
würde«, sagte sie, »und zugleich ersticken mit meinen Küssen, wie es die Russalka mit ihren Opfern macht?«
»Es wäre ein süßer Tod.«
»Glaubst du? Aber ich lasse dich leben zu meiner Freude und deiner Qual.«
Sie neigte sich zu mir, nah und näher, ihr Hauch durchrieselte mich wie Glut der Hölle. Ich folgte mit meinen Lippen den zarten blauen Adern, die allerorten durch den Alabaster ihrer Haut schimmerten, und barg dann mein heißes Antlitz an ihre Brust, die so weich ist wie schwellender Samt und zart wie flockiger Schnee. Ich ließ mich von ihrem sanften Atem wie von einer Welle heben, und sie spielte mit mir wie mit einer Puppe. Sie deckte mir die Augen mit der Hand zu, sie unterhielt sich mit meinen Ohren, um mir dann ihre Finger auf die Lippen zu legen und endlich in den Mund, als wollte sie mich sie kosten lassen, und wirklich, sie waren glühend und süß wie Sorbet. Im nächsten Augenblicke wand sie meine Locken um ihre Hand und wühlte endlich mit beiden in meinem Haare, so zärtlich und dabei doch mit einer Art Zorn, und riss mich mit der Wut einer Bacchantin an sich, an ihre Lippen, die zu dürsten schienen in trockener Fieberglut.
Die Welle, die mich weich umspielt hatte, wurde zur Woge, die mich bedrohte, mit der ich gleich einem Schiffbrüchigen rang, und als das zaubermächtige Weib mich plötzlich auf das Ohr küsste, da begann es mir in demselben zu singen, zu klingen, zu sausen wie einem Ertrinkenden, und umwunden von ihren Feuer sprühenden Flechten, meinte ich in einem Ozean von kochender Lava zu schwimmen, der mich endlich verschlang, in dem Taumel übermenschlicher Liebeswonne. In ihren teuflischen Küssen ward mir die ganze Mystik der Leidenschaft mit einem Male offenbar, Lust und Bangen, Genuss und Marter, Seufzer, Lachen und Weinen, bis ich im Taumel wieder mit dem Antlitz zur Erde sank.
»Bist du tot?«, fragte sie nach einer Weile, und als ich mich nicht regte, trat sie mir mit dem kleinen, nackten Fuß leise in das Gesicht, im nächsten Augenblick streckte sie sich, mutwillig lachend, auf meinem Rücken aus wie eine Tierbändigerin auf dem Löwen, den sie zahm und gehorsam gemacht hat.
Ich regte mich nicht, auch dann nicht, als sie sich erhob, um durch das Zimmer zu gehen. Als ich endlich die Augen öffnete, sah ich den Mond, der leise in das Zimmer getreten war, ihre Füße küssen, dann, sich langsam erhebend, sie mit seinen weißen Armen umfangen, während sie ihm kokett die Lippen darbot.
Zorn und Eifersucht erfassten mich. »Was will der bleiche Wüstling?«, rief ich. »Du bist mein!«
»Mein bist du«, lachte sie und warf sich in die Polster, dass ihr Haar wie eine Flamme aufflog und ich, vom Wahnsinn der Liebe aufs Neue erfasst, meine Lippen auf ihre Knie, ihre wogende Brust presste und endlich mein Haupt an ihre Schulter lehnte.
»Was ist das?«, fragte ich nach einer Weile. »Ich fühle kein Herz in deiner Brust schlagen.«
»Ich habe kein Herz«, sagte sie kalt und verdrossen. Es durchschauerte ihre edlen Glieder wie ein Windstoß. »Aber du«, fuhr sie spöttisch fort, »dir pocht es wie toll hinter den Rippen – und – du liebst mich auch wie ein Narr!«
»Wie ein Narr«, wiederholte ich mechanisch.
Wir ruhten lange Zeit, Schulter an Schulter, und lauschten dem Wind, dem Flattern der weißen Flocken, dem Nagen des Mäuschens in der Diele und dem Pochen des Holzwurmes im alten Getäfel. Der volle Mond war längst nicht mehr zu sehen, nur die Sterne blinkten noch durch den weißen Schneeschleier, die erste, fahle Dämmerung des Morgens breitete sich aus, als ich zum zweiten Male gleich einem Toten zur Erde niederfiel. Das schöne Weib richtete mich langsam auf, machte mich zu ihrem Schemel, und ihre müde, röchelnde Stimme klang wie ein leiser Harfenton durch das Gemach.
»Du hast mir Leben gegeben von deinem Leben, Seele von deiner Seele und Blut von deinem Blute, hast süße Lust in meiner Brust geweckt, nun sättige meine Zärtlichkeit.«
»Du tötest mich«, seufzte ich auf.
Sie schüttelte den Kopf. »Der Tod ist kalt«, gab sie zur Antwort, »aber das Leben so warm. Die Liebe tötet, aber sie erweckt zu neuem Leben.«
Sie flocht ihr Haar zusammen und schlug mich neckend damit; ihr Fuß, den sie zuerst in meine Hand gestellt hatte, ruhte jetzt auf meinem Nacken, und als ich, das Antlitz zur Erde, liegen blieb, fuhr sie mir mit demselben sanft über den Rücken, dass es mich überrieselte, einem elektrischen Strome vergleichbar. Von neuem
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