Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
wollten. Die Angels sind nicht gerade begeistert von den Expansionsbestrebungen der Bandidos und boten an, eine im Aufbau begriffene Ortsgruppe in New Mexico wieder aufzulösen, wenn die Bandidos ihre Verhandlungen mit dem Quebecer Club abbrechen.«
»Die Machine ist also so was wie das Zünglein an der Waage?« Pferdeschwanz.
»Ja. Wenn die Bandidos die Machine übernehmen, wären sie auch bei uns präsent, und das könnte die Kräfteverhältnisse hier verschieben.« Roys Stimme klang düster.
»Die Rock Machine ist relativ neu in der Szene, n’est-ce pas ?«, fragte der jung aussehende Ermittler.
»Es gibt sie seit 1977«, sagte Roy. »Aber erst ‘97 haben sie MC an ihren Namen angehängt. Davor betrachteten sie sich nicht als etwas so Konventionelles wie einen Motorradclub. Es war eine kleine Überraschung auf ihren Weihnachtskarten in diesem Jahr.«
»Weihnachtskarten?« Ich dachte, er hätte einen Witz gemacht.
»Ja. Tradition bedeutet diesen Jungs sehr viel. Es war das Gesprächsthema im Gemeinschaftsraum des Gefängnisses.« Kuricek.
Gelächter.
»Die Karten erlauben den Mitgliedern, sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten«, erklärte Roy. »Die Kehrseite davon ist, dass dadurch auch die rivalisierenden Banden an die entsprechenden Informationen kommen.«
Roy warf einen Stadtplan von Montreal auf die Leinwand.
»Im Augenblick kämpft die Rock Machine mit den Hells Angels um die Kontrolle des Drogenhandels in der Provinz. Und hier geht’s um das große Geld. Nach Angaben des Generalstaatsanwalts setzt das organisierte Verbrechen auf dem kanadischen Drogenmarkt pro Jahr sieben bis zehn Millionen Dollar um. Und Quebec ist ein großer Teil des Kuchens.«
Er deutete auf zwei Gegenden der Stadt.
»Umkämpfte Gebiete sind vor allem die Nord- und die Ostseite Montreals und Teile von Quebec City. Seit 1994 gab es dort hunderte von Bombenattentaten und Brandstiftungen und nicht weniger als einhundertvierzehn Morde.«
»Marcotte, die Vaillancourt-Zwillinge und das Toussaint-Mädchen mit eingerechnet?«, fragte ich.
»Gute Frage. Einhundertachtzehn Morde. Und mindestens zwanzig werden vermisst und sind wahrscheinlich tot.«
»Und wie viele von diesen Kriegerarschlöchern hocken da draußen in den Schützengräben?« Wieder Kuricek.
»Die Angels haben ungefähr zweihundertfünfundsechzig Mann an der Front, die Rock Machine fünfzig.«
»Das ist alles?« Es wunderte mich, dass so wenige ein solches Chaos anrichten konnten.
»Sie dürfen die zweite Garde nicht vergessen.« Kuricek lehnte sich zurück, und sein Stuhl knirschte leise.
»Beide Seiten haben Handlangerclubs, die sich ihnen anschließen. Und diese Verlierer sind es, die die Drecksarbeit für die Organisationen erledigen.« Roy.
»Drecksarbeit?« Für mich klang das alles dreckig.
»Verteilung und Verkauf von Drogen, Schulden eintreiben, Beschaffung von Waffen und Sprengstoffen, Einschüchterungen, Mord. Diese Handlangerclubs sind der Abschaum der Biker-Gesellschaft, und sie tun alles, um den Bossen zu beweisen, dass sie Mumm haben. Deshalb ist es schwer, den Funktionären der großen Clubs was anzuhängen. Diese Mistkerle sind aalglatt und machen sich selten die Finger schmutzig.«
»Und wenn man sie einlocht, sind sie am nächsten Tag auf Kaution wieder frei und benutzen dann ihre Gorillas, um die Belastungszeugen einzuschüchtern oder umzubringen.« Kuricek.
Im Geiste sah ich die Fleischfetzen vor nur, die einmal die Vaillancourt-Brüder gewesen waren.
»Die Heathens haben sich der Rock Machine angeschlossen?«
»C’est ça.«
»Wer sind die anderen?«
»Mal sehen. Die Rowdy Crew. Die Jokers, die Rockers, die Evil Ones, die Death Riders…«
In diesem Augenblick erschien Martin Quickwater in der Tür. Er trug einen marineblauen Anzug und ein frisch gebügeltes weißes Hemd und sah eher aus wie ein Steueranwalt als wie ein Ermittler der Abteilung Organisiertes Verbrechen. Er nickte Roy zu und ließ den Blick dann durch den Raum schweifen. Als er mich sah, kniff er die Augen zusammen, sagte aber nichts.
»Ah, bon. Monsieur Quickwater kann uns berichten, wie das FBI die Lage sieht.«
Aber dazu sollte es nicht kommen. Quickwater hatte Wichtigeres zu berichten. Die Zahl der Opfer schnellte in die Höhe.
7
Bei Sonnenaufgang am nächsten Tag war ich beim Clubhaus der Vipers in St.-Basile-le-Grand. Das Gebäude stand alleine auf einem halben Hektar Land, das von einem Elektrozaun umgeben war. Überwachungskameras waren oben auf
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