Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
konnte.
»Aber konntest du die Überreste je eindeutig identifizieren?«
»Nein. Es fehlte zu viel, und was geborgen wurde, war stark beschädigt. Und natürlich hatten wir damals noch keine DNS-Tests. Warum fragst du nach Savannah Osprey?«
»Habt ihr einen Schädel gefunden?«
»Nein. Das war das Hauptproblem. Das Opfer war im Wald abgeladen und dann mit Wellblech bedeckt worden. Tiere haben Teile der Leiche hervorgezerrt und sie in der Landschaft verteilt. Schädel und Unterkiefer wurden nie gefunden, und wir nahmen an, dass die Tiere sie davongeschleift hatten. Die Knochen, die noch unter dem Blech lagen, waren intakt, aber nicht sehr hilfreich, und der Rest des Skeletts war so stark angeknabbert, dass außer dem Geschlecht kaum mehr was festzustellen war. Irgendein Pathologe machte damals die anthropologische Arbeit. Nach seinem Bericht gab es nichts, was auf Alter, Größe oder Rasse hingedeutet hätte.«
Ein Pathologe hatte sicher keine Ahnung von mikroskopischer Alterung, von der Bedeutung der Statur anhand unvollständiger langer Knochen. Keine gute Arbeit, Doc.
»Warum glaubst du, dass es Savannah war?«
»Wir fanden in der Nähe der Knochen einen kleinen silbernen Talisman. Es war irgendein Vogel. Obwohl die Mutter es leugnete, merkte ich an ihrer Reaktion, dass sie das Ding wieder erkannte. Später habe ich dann ein bisschen recherchiert. Der Talisman war eine exakte Abbildung eines Fischadlers.«
Ich wartete.
»Ein anderer Name für den Fischadler ist Osprey.«
Ich erzählte ihr von dem Schädel und den Beinknochen in Montreal.
»O Mann.«
»Lebt die Mutter noch?«
»Seit sie dieses Schaf geklont haben, ist alles möglich. Ich finde es heraus.«
»Hast du die Akte noch?«
»Darauf kannst du Gift nehmen.«
»Prämortale Röntgenaufnahmen?«
»Unzählige.«
Ich traf eine schnelle Entscheidung.
»Besorg dir die Knochen, Kate. Ich komme runter.«
Patineau genehmigte die Reise, und ich buchte einen Morgenflug nach Raleigh. Als ich mich mit Kit zu einem späten Abendessen an den Küchentisch setzte, vermieden wir es beide, das Päckchen in der Diele zu erwähnen, das ich aus dem Labor mitgebracht hatte und mit auf die Reise nehmen würde. Er freute sich auf den morgigen Ausflug mit Crease und hatte kein Problem mit meiner Abwesenheit.
Die Maschine war bis auf den letzten Platz besetzt mit der üblichen Mischung aus Studenten, Geschäftsleuten und Wochenendgolfern. Ich starrte zum Fenster hinaus, während die Stewardessen Kaffee und alkoholfreie Getränke servierten, und wünschte mir, auch ich wäre unterwegs zu einem Golfplatz – Pinehurst, Marsh Harbour, Oyster Bay; alles, nur nicht die grausige Analyse der Knochen eines jungen Mädchens.
Ich senkte den Blick zu der Sporttasche unter dem Sitz vor mir. Sie sah ziemlich unauffällig aus, aber ich fragte mich, was meine Mitreisenden wohl denken würden, wenn sie wüssten, was sie enthielt. Ich war inzwischen so oft von Dorval losgeflogen, dass das Personal bei der Gepäckdurchleuchtung keine Erklärungen mehr von mir verlangte. Ich überlegte nur, wie es beim Abflug in Raleigh sein würde.
Draußen tauchte die Sonne die Wolken in ein lumineszierendes Rosa. Als wir durch die Wolkendecke stießen, sah ich ein winziges Schattenflugzeug, das parallel neben unserem herflog.
Ja, das ist es, dachte ich. So sah ich das Mädchen zu meinen Füßen. Obwohl ich jetzt einen Namen für sie hatte, blieb sie in meiner Vorstellung ein geisterhafter Schatten auf einer formlosen Landschaft. Ich hoffte, dass diese Reise aus diesem Phantombild einen eindeutig identifizierten Menschen machen würde.
18
Kate holte mich am Flughafen Raleigh-Durham ab, und wir fuhren direkt ins SBI-Labor. Sie hatte die Überreste bereits vom Leichenbeschauer in Chapel Hill hierher geschafft und sich einen Raum besorgt, in dem wir arbeiten konnten. Wenn Proben für eine DNS-Analyse genommen werden sollten, war dieses Arrangement nach Überzeugung aller Beteiligten das effektivste.
Ich zog Gummihandschuhe an und wickelte mein Paket aus, während Kate das ihre aus einem verschlossenen Schrank holte. Sie stellte einen langen weißen Pappkarton auf den Tisch und trat zurück. Ich spürte die vertraute Anspannung in meiner Brust, als ich die Schnur aufknotete und die Deckellaschen anhob.
Einen nach dem anderen legte ich die Knochen in die korrekte anatomische Position. Rippen. Wirbel. Becken. Lange Knochen.
Der Pathologe hatte Recht gehabt mit seiner Bewertung der
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