Last Date
mittlerweile wieder um das Haus nach vorne gekommen waren, stieg dann in den Passat und fuhr davon. Mit zitternden Händen ging Susanne ins Haus zurück und suchte ihr Telefon um den Anwalt anzurufen. Da sie es in der unteren Etage nicht fand, ging sie die Stufen hinauf und sah flüchtig in die beiden Zimmer ihrer Söhne, bevor sie das kleine Büro betrat. Das Telefon lag neben dem noch eingeschalteten Laptop ihres Mannes auf dem Schreibtisch. Sie nahm es und suchte in den Kontaktdaten den eingespeicherten Eintrag ihres befreundeten Anwalts, fand ihn und drückte die Wähltaste. Unbewusst nahm sie die umherschwirrenden Kugeln des Bildschirmschoners auf dem Display des Laptops wahr. Susanne hatte bisher noch nie einen Gedanken daran verloren, Martin in irgendeiner Form zu kontrollieren und wollte damit auch jetzt nicht anfangen, berührte aber aus einem inneren Zwang heraus mit dem kleinen Finger der linken Hand das Scrollpad des Computers. Sie bekam sofort ein schlechtes Gefühl und wollte sich wegdrehen, wollte eigentlich gar nicht wissen, an was er gearbeitet hatte, ja hätte sich sogar über sich selbst geärgert, wenn, wie von ihr erwartet, eine Tabellenkalkulation mit Fahrzeiten der Fahrschüler oder etwas Ähnliches sichtbar geworden wäre, starrte aber stattdessen auf das in Bearbeitung befindliche Dokument einer Internetseite. Der in der obersten Zeile geschriebene Name verursachte bei ihr eine Gänsehaut.
Hallo Bianca,
Am Telefon meldete sich eine Frauenstimme.
„Anwaltskanzlei Brecht und Partner, was können wir für Sie tun?“
Susanne zog den Stuhl etwas nach hinten und setzte sich vor den Schreibtisch. Ihr wurde abwechselnd warm und kalt. Sie spürte , wie sich erneut Tränen in ihren Augen sammelten, und registrierte nicht wirklich, wie sie, mit einer ihr völlig fremden Stimme, der jungen Frau im Telefon antwortete.
„Entschuldigen Sie, ich melde mich später noch mal.“
Dann legte sie auf.
Göttingen
Dienstag, 10:45 Uhr
Guido Fischer, der direkt nach seinem Jurastudium einen Posten in dem bekannten Anwaltsbüro Brecht und Partner in der Göttinger Innenstadt bekommen hatte, betrat gemeinsam mit Susanne Becker das Zimmer 411 in der vierten Etage des Polizeipräsidiums. Martin stand am Fenster und sah hinaus in die Ferne, beobachtet von einem uniformierten Beamten, der mit vor sich verschränkten Armen hinter der Eingangstür stand und somit den ganzen Raum im Blickfeld hatte. Guido kannte das Szenario und hatte den Polizisten freundlich begrüßt, als er nach dem Hereinkommen die Tür hinter sich wieder verschlossen hatte. Langsam drehte Martin sich um. Seine Augen weiteten sich ein wenig vor Freude, als er sah, dass Susanne mitgekommen war. Er kam um den kleinen Tisch herum auf Guido zu und begrüßte beide mit einem Lächeln, das allerdings schnell verstarb, da Guido ihn weiterhin mit ernster Miene ansah und auch Susannes Gesicht frei von jeglicher Freundlichkeit war.
Er sah seinen befreundeten Anwalt fragend an und fragte ihn: „Was ist los Guido?“
„Sag du es mir Martin .“
Guido runzelte die Stirn. „Ich weiß wirklich nicht, was hier geschieht. Angeblich soll ich ein Mädchen getötet haben. Dabei kenne ich die doch gar nicht.“
Susanne sah Martin zornig an, und als sie ihn dann von der Seite her ansprach, wurde ihre Stimme von Wort zu Wort lauter. „Soso, du kennst sie also gar nicht. Weißt du eigentlich, was du hier für einen Scheiß erzählst? Ich habe deine Nachrichten an dieses Flittchen gelesen. Und die von ihr an dich auch, und zwar alle! Und wenn du …“
Guido schob sich vor Susanne und hielt sie mit beiden Händen an den Schultern fest, während sie abwechselnd links und rechts an ihm vorbei den Blickkontakt zu Martin suchte.
„Susanne !“
Er sah ihr tief in die Augen und wartete , bis sie seinen Blick erwiderte. „Susanne, warte einen Augenblick damit. Ich bitte dich, wir hatten doch etwas besprochen. Zuerst klären wir die Fakten.“
Nachdem Susanne sich ein wenig beruhigt hatte, richtete sich der Anwalt an den Polizisten, der noch immer regungslos an der Wand neben der Tür verharrte.
„Entschuldigung, dürfte ich einen Augenblick mit meinem Mandanten ungestört reden?“
Der Polizist nickte nur kurz und verließ lautlos den Raum.
Als sich Guido wieder umdrehte, saß Martin auf einem der vier Stühle am Tisch, sein Gesicht nach unten in seinen Händen vergraben, und Susanne war es jetzt, die am Fenster stand und in die Ferne blickte. Guido
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