Last Date
blitzschnell nach den Unterlagen und wollte sie davor bewahren vom Tisch zu rutschen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Freund ihm die Fotos absichtlich so plötzlich präsentierte. Als er die Bilder sah, stockte ihm der Atem. Er wollte etwas sagen, konnte es aber nicht, sondern sah stattdessen auf den aus allen Perspektiven fotografierten, schrecklich zugerichteten Leichnam von Bianca Lange. Ihre nackte Leiche lag rücklings auf einem Bett, ihre Hände waren an den Seiten des Kopfteils, ihre Beine gespreizt und mit den Füßen an beiden Seiten des Fußteils mit je einer Schnur angebunden. Einige Nahaufnahmen zeigten deutlich, wie brutal die Schnur vom Täter festgezogen worden sein musste, da sie fast überall tief ins Fleisch eingeschnitten war. Auf einer der Aufnahmen des gesamten Raumes konnte man die Bettdecke und ein Kopfkissen sehen, die ordentlich über einen in der Ecke des Schlafzimmers stehenden Stuhl gelegt worden waren. Beide Bezüge waren hellgelb mit dezent gemusterten chinesischen Zeichen. Martins Blick fiel unwillkürlich wieder auf das erste Foto, auf dem Biancas lebloser Körper zu sehen war. Ihm fiel auf, dass das Bettlaken unter ihr an den Seiten einige kleine Stellen aufwies, die farblich zur Bettwäsche passten. Der Rest des Lakens war rot. Vollgesogen mit Blut. Martin musste würgen und hätte sich beinahe übergeben, als ihm bewusst wurde, was er da auf den Bildern sah. Er kniff angewidert die Augen zusammen, als er die unzähligen kleinen Schnitte sah, die über ihren ganzen Körper verteilt die vormals wunderschöne junge Frau fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt hatten. Er konnte nicht glauben, was er da vor sich sah und versuchte sich an letzten Freitag zurückzuerinnern, als er mit Bianca auf der kleinen Picknickdecke im Gras gelegen hatte. Sie hatte ihn so liebenswert umgarnt mit ihren Worten und Gesten. Alles war so wunderschön gewesen und seine einzigen Probleme hatten darin bestanden, dass er sich Gedanken machen musste, wie weit er mit ihr gehen wollte und wie lange er es schaffen würde, eine solche Affäre vor Susanne geheim zu halten. Jetzt saß er hier und sah auf zwei Großaufnahmen vor sich wie Biancas linke Brustwarze und ihr rechtes Auge mit einer sehr scharfen Klinge exakt in der Mitte durchtrennt worden waren. Aus den meisten Wunden war Blut herausgekommen, am Körper seitlich heruntergelaufen und hatte die Fläche unter ihr mit einer solchen Deutlichkeit gefärbt, dass Martin den Eindruck hatte, er könnte es jetzt hier im Raum sogar riechen. Angeekelt und mit einem Gefühl von Schwindel schloss er die Augen, um dem Anblick dieser schrecklichen Fotos zu entfliehen.
Nur unterbewusst bekam er mit, wie sich jemand neben seinen Anwalt setzte. Langsam hob er seinen Blick und sah Guido mit Tränen in den Augen an, während er die Fotos mit seinen Händen zusammenschob. „Wo hast du die her?“
Nicht sein Freund, sondern die Frau neben ihm, die mit Guido abgesprochen den Raum bereits betreten hatte, bevor Martin die Bilder zu sehen bekam, antwortete auf seine Frage.
„Die hat einer unserer Fotografen heute Nacht in der Wohnung von Bianca Lange geschossen, bevor die Leiche dann zur Obduktion weggebracht wurde. Das auf den Bildern ist Bianca Lange. Aber, das wissen Sie ja sicherlich selbst.“
Ohne seinen Kopf auch nur einen Millimeter zu bewegen , rollte er seine Augen so weit nach rechts, dass er die Frau, die er auf Mitte vierzig schätzte, einen kleinen Moment mit geistesabwesendem Blick ansehen konnte, um dann wieder zurück zu Guido zu schauen. Bevor er seinen Anwalt fragen konnte, wer diese Person war und wie lange sie schon dort saß, räusperte sie sich.
„Herr Becker, mein Name ist Linda Wolf. Ich bin die leitende Hauptkommissarin in diesem Fall. Wir möchten Ihnen helfen, aber Sie müssen mit uns zusammenarbeiten.“
Jetzt drehte sich Martin in ihre Richtung und sah sie mit großen Augen an. Nach einem ganzen Moment fragte er: „Hat sie lange leiden müssen?“
„Sagen Sie es uns Herr Becker“, konterte die Kommissarin ohne zu zögern.
Martin sprang von seinem Stuhl auf und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Woher soll ich das denn wissen? Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich damit etwas zu tun habe.“
Er drehte sich zu Susanne um, die noch immer mit Tränen in den Augen still hinter ihm am Fenster stand. Martin ging zu ihr und versuchte sie mit beiden Händen an den Schultern zu fassen, um sich bei ihr die Bestätigung zu
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