Last Date
stellte sich neben den Tisch und warf Martin einen Umschlag zu, der direkt vor seinen Händen landete. Langsam sah Martin zu Guido herauf.
„Was ist da drin?“ , fragte er verunsichert. Seine Augen waren rot und feucht.
Martin antwortete mit monotoner Stimme: „Bilder. Bilder von einer Frau. Von einer toten Frau. Bilder von der toten Frau, die du angeblich nicht kennst, mit der du aber regen E-Mail-Kontakt hattest.“
Martin überlegte. Er konnte schlecht abschätzen, wie ernst die Situation wirklich war, wollte ungern zu viel über seine eigentlich doch harmlose Anmeldung bei triffmich.net erzählen, wenn es nicht unbedingt sein musste. Aber war die Anmeldung dort denn überhaupt harmlos? Konnte denn eine Anmeldung bei einer Partnerbörse, mit der Absicht eine Affäre zu beginnen, überhaupt harmlos sein? Wie würde Susanne das sehen? Ihm ging das Wort Scheidung durch den Kopf, und er musste an seine beiden Söhne denken. Warum hatte er nicht vorher überlegt, an welchem Punkt er die unsichtbare Grenze überschritten hatte?
Dann sah er zu seinem Freund auf. „Guido. Ich habe dieses Mädchen schon einmal gesehen, ja das gebe ich ja zu, aber …“
„ Stopp Martin, ganz langsam.”
Guido setzte sich Martin gegenüber an den Tisch und holte einen Notizblock heraus, in dem er blätterte.
„Bevor du jetzt noch etwas Falsches sagst , hörst du mir erst einmal zu. Du bist am Freitag mit dem Fahrschulwagen losgefahren und hast Bianca abgeholt. An einer Bushaltestelle. Ihr seid dann ins Grüne gefahren, um euch auf irgendeine Art zu vergnügen.“
Martin wollte etwas sagen, aber Guido sah ihn mit ernstem Blick und erhobenem Zeigefinger an und konzentrierte sich dann wieder auf seine Notizen. Martin drehte den Kopf hinüber zum Fenster und sah Susanne, die sich wieder herumgedreht hatte und ihn mit Tränen in den Augen beobachtete, während Guidos klare Stimme wieder die Stille des Raumes durchbrach.
„Du bist gestern wieder zu der gleichen Bushaltestelle gefahren, allerdings diesmal mit deinem Golf, und hast sie wieder abgeholt. Du bist bei ihr zu Hause vor der Tür gesehen worden und du bist erst ziemlich spät vor deiner eigenen Haustür vorgefahren, obwohl du keine Fahrschultermine mehr gehabt hast, entgegen dem , was du Susanne erzählt hast.“
Martin holte Luft um zu antworten, doch Guidos Blick und seine erneut erhobene Hand ließen ihn sofort ein weiteres Mal verstummen. Martins Schultern senkten sich ein wenig, als er unbewusst mit der linken Hand am Rand des Umschlags entlangfuhr und sich wieder auf Guidos Stimme konzentrierte.
„Jetzt hör gut zu Martin. Wir beide kennen uns nun schon mehr als fünfzehn Jahre , und ich denke, wir sind bisher immer ehrlich miteinander umgegangen. Fang jetzt bitte nicht an zu lügen. Egal was du getan hast, du musst es uns sagen. Und zwar alles. Bei der ersten Lüge schmeiße ich mein Mandat wieder hin. Und Susanne wollte eigentlich gar nicht mitkommen, so wie du sie verarscht hast. Und noch was, eins sollte dir klar sein. Wenn du uns nicht auf deine Seite bringst, dann kannst du schon mal anfangen auf nette Mitinsassen zu hoffen.“
Ein kurzes Schweigen trat ein, bevor Martin seine Chance sah , sich zu rechtfertigen. „Ja, ich habe mich mit ihr einmal getroffen.“
Sofort schoss Guido dazwischen. „Zweimal!“
„Nein. Einmal. Ich habe dich eben ausreden lassen , und jetzt musst du mich erst mal anhören. Also, gestern habe ich sie nicht getroffen, obwohl wir an der Bushaltestelle verabredet waren.“
Susanne fing hörbar an zu schluchzen und Martin wollte zu ihr gehen, um sie in irgendeiner Form zu trösten, aber Guido bat ihn weiter zu erklären, wie seiner Meinung nach der Abend verlaufen war.
„Also, wir waren verabredet, ich bin herumgefahren, habe sie gesucht, aber nicht gefunden. Dann bin ich nach Hause gefahren, während irgendein Irrer sie erwürgt oder erschossen hat. Was weiß ich denn? Ich war es jedenfalls nicht.“
„Rasierst du dich nass oder trocken?“
Martin verzog sein Gesicht auf Guidos Frage hin. „Äh, ich verstehe nicht. Wozu willst du das wissen?“
Er sah Guido an und wartete, doch dieser verzog keine Miene. Nach einer Weile antwortete Martin auf die Frage. „Nass. Warum?“
Guido packte den Umschlag am äußersten Rand der nicht geöffneten Seite und z og ihn mit einem Ruck vom Tisch. Sofort rutschten die darin befindlichen Fotos und Papiere heraus und blieben wild durcheinander auf dem Tisch verteilt liegen. Martin griff
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