Last days on Earth: Thriller (German Edition)
Herr von Deyen ist die stabilste Persönlichkeit, die mir in meinem Leben je begegnet ist. Ich verstehe nicht, was ihn so verändert hat.«
»Gift? Ein Fluch?«
»Gift halte ich für ausgeschlossen.« Horace wirkte einen Augenblick lang gekränkt, dann schüttelte er mit einem entschuldigenden Lächeln den Kopf. »Alles, was mein Herr zu sich nimmt, geht vorher durch meine Hände.«
Karla nickte nachdenklich. »Dann bliebe immer noch die Frage, ob ihn – und die anderen Drachen – jemand verflucht hat.«
»Auch das halte ich für extrem unwahrscheinlich.« Horace zögerte. Sein sorgenfaltiges Gesicht unter den kurzen grauen Haaren spiegelte den Kampf, den er mit sich ausfocht. Dann stieß er resigniert Luft durch die Nase und zog einen seiner blendend weißen Handschuhe aus. Karla, die ihn noch nie mit nackten Händen gesehen hatte, starrte sie fasziniert an. Es war eine ganz gewöhnliche, sehr gepflegte Hand mit kurzen Nägeln und einer glatten Haut.
Horace hielt ihr die Hand hin. Karla, die nicht recht wusste, was er von ihr wollte, berührte sie mit den Fingerspitzen und saß dann wie erstarrt da. Kraftwellen. Magier und Hexen gaben sich nicht gerne die Hand. Jeder, der über magische Kräfte verfügte, konnte bei einem solchen Kontakt allerlei an Information über sein Gegenüber sammeln – seine Stärke, sein Potenzial, seine Ausrichtung …
»Sie sind ein Versatiler«, sagte Karla.
Horace zog seine Hand weg und schlüpfte wieder in den Handschuh, den er sorgfältig glättete. »So ist es«, bestätigte er. »Herr von Deyen suchte einen magiebegabten Butler. Unter anderem, um eventuellen Verfluchungen vorzubeugen.«
»Ich verstehe«, erwiderte Karla. Sie rieb sich über die pochenden Schläfen. »Sind Sie der Konstrukteur des Memplex-Generators in seinem Arbeitszimmer?«
Horace schlug die Augen nieder und legte mit großer Sorgfalt den Löffel auf seine Untertasse. Er nahm den Henkel der Teetasse zwischen Daumen und Zeigefinger und hob sie zum Mund. Karla betrachtete ihn ungeduldig. »Ja«, sagte er schließlich und stellte die Tasse ab. Er tupfte sich die Lippen und seufzte. »So einen Generator baut Ihnen jeder von uns an einem Nachmittag zusammen. Die Baupläne sind kein Geheimnis. Es ist kinderleicht, Frau van Zomeren.«
»Das heißt, jeder, der einen Bauplan besitzt, kann einen solchen Generator herstellen?«
»Ja.«
»Und wenn man einen größeren Generator bauen will? Sagen wir – hundertmal so stark wie diesen?«
Seine Augen weiteten sich. »Das wäre eine Herausforderung. Aber ich denke, es wäre machbar.« Er runzelte die Stirn. »Wenn man einige kleine Generatoren koppelt – das könnte über eine verstärkte Schwarzraum-Kupplung funktionieren –, dann wäre es vielleicht möglich, diese zu einem größeren Komplex zu verbinden. Man müsste natürlich dafür sorgen, dass keine ungesteuerten Resonanzen entstehen, aber …«
Karla unterbrach ihn. »Sie haben so ein Gerät also nicht gebaut?«
Er verneinte beinahe betrübt.
Schwarzraum. Mit wem hatte sie in der Vergangenheit über Schwarzraum-Energie gesprochen? Karla trank ihren Tee und durchforstete ihre Erinnerungen, bis es ihr einfiel.
»Libor Wolf«, sagte sie. »Sagt Ihnen der Name etwas?«
Horace lächelte schwach. »Natürlich«, erwiderte er. »Wir sind nur eine kleine Gruppe hier in der Stadt, da kennt jeder jeden.«
»Er ist der Schwarzraum-Experte«, sagte Karla.
Horace nickte. »Wenn jemand wirklich eine Schwarzraum-Kupplung oder eine Batterie benötigt hat, dann wird er mit diesem Anliegen höchstwahrscheinlich bei Libor gelandet sein.«
Karla schloss halb die Augen. »Ich brauche also seine Telefonnummer. Aber zuerst möchte ich die Maschine sehen.«
Der Butler erhob sich. »Die Telefonnummer bekommen Sie von mir«, sagte er. »Und falls Sie eine Schwarzraumbatterie haben möchten, baue ich Ihnen die aus der Espressomaschine aus.«
Karla riss die Augen auf. »Sie betreiben nicht wirklich ein profanes Küchengerät mit hochgefährlicher Schwarzraumenergie!«
Horace nickte steif. »Der Dampf wird so sehr viel schneller heiß und verleiht dem Kaffeepulver eine unnachahmliche Note …« Er winkte ab und lächelte. »Das ist nicht interessant, verzeihen Sie.«
»Horace, wenn wir das alles hier überleben, möchte ich mich gerne länger mit Ihnen unterhalten«, erwiderte Karla und schob ihren Stuhl zurück. »Bauen Sie mir die Batterie aus, wenn es Ihnen nicht zu viel Mühe macht. Und ich hätte gerne einen
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