Last days on Earth: Thriller (German Edition)
stieß den Atem aus und senkte den Kopf. »Ich werde auf Schritt und Tritt beobachtet und verfolgt. Zweimal ist auf mich geschossen worden, und nur Brads Aufmerksamkeit hat mich gerettet. Und dann diese seltsamen Geräusche vom Dachboden. Ich bin mit den Nerven völlig am Ende, Karla.«
Sie hielt den Zustrom an Lebensenergie weiter aufrecht, denn es schien ihn zu beruhigen. Ihre Gedanken rasten. »Was ist mit Quass?«, fragte sie schließlich.
Raoul blickte mit alarmierter Miene zur Tür. »Ist da jemand?«, flüsterte er und zog seine Hände aus Karlas Griff. Er schob den Stuhl zurück und ging zur Tür, um vorsichtig hinauszusehen.
Karla beobachtete ihn, wie er geduckt am Türrahmen stand. Seine Furcht, sein Misstrauen waren beinahe greifbar. Sie legte das Gesicht in die Hände und ordnete ihre Gedanken. Es war ganz offensichtlich vollkommen unmöglich, ein klares Wort aus Raoul herauszubekommen. Zu allem Überfluss waren die Schwingungen des morphischen Feldes so stark, dass sie Kopfschmerzen davon bekam. Wo kam diese übermäßig starke Sheldrake-Energie her?
Karla ignorierte ihren dröhnenden Schädel und sah fassungslos zu, wie Raoul ein Messer aus der Schublade nahm und ins Wohnzimmer schlich. Sie seufzte und stand auf. »Brad«, sagte sie laut. »Könntest du übernehmen? Ich muss mit dir reden!«
Sie folgte Raoul ins Wohnzimmer. Er stand an der Tür zur Diele und blickte auf das Messer in seiner Hand. Dann hob er den Kopf und grinste Karla an. »Sorry«, sagte er. »Wenn ich ihn nur mal kurz aus den Augen lasse, dreht er vollkommen durch. Hat er dich sehr erschreckt?«
Karla stieß den Atem aus und nickte erschöpft. »Was ist los, Brad? Seit wann benimmt er sich so?«
Der Daimon ließ achtlos das Messer fallen, das sich mit einem sirrenden Laut und einem dumpfen Schlag ins Parkett bohrte. Er setzte sich in den bequemsten Sessel und schlug die Beine übereinander. »Ich fürchte, das ist der ganz normale Verfall«, sagte er im Plauderton. »Er hat schon überdurchschnittlich lange durchgehalten. Taugen im Grunde nichts, diese organischen Gehirne. Sie brennen viel zu schnell durch.«
Karla setzte sich ihm gegenüber und rieb sich über die Augen. Der Druck auf ihren Schläfen wurde unerträglich. Es war, als wollte ihr jemand das Gehirn aus den Ohren quetschen. »Hör auf zu faseln«, sagte sie. »Ich brauche Fakten. Stimmt es, dass auf ihn geschossen wurde?«
Brad zuckte nonchalant die Achseln. »Nicht, dass ich wüsste. Hat er das erzählt?«
»Er sagte, du hättest ihn gerettet.«
Brad faltete die Hände hinter dem Kopf. »Damit hat er im Grunde sogar recht«, sagte er nachdenklich. »Ich bin im Augenblick seine geistige Gesundheit. Wenn ich mal kurz weg bin, siehst du ja, was geschieht.« Sein Lächeln war breit und unverschämt.
Karla nickte knapp. »Also alles Einbildung? Was ist mit Quass?«
Der Daimon hob eine Braue. »Der Drache? Ich denke, dass jemand versucht, ihn zu vergiften. Wahrscheinlich eins seiner schrecklichen schuppigen Familienmitglieder. Das ist nichts Ungewöhnliches. Aber ich gebe zu, es hat Raouls geistiger Stabilität nicht gerade gutgetan, dass sein bester Freund einen Verfolgungswahn entwickelt.«
»Es gibt also weder irgendwelche dunklen Mächte, die Raoul beschatten und bedrohen, noch ist jemals auf ihn geschossen worden, und auch die ominösen Geräusche auf dem Dachboden sind reine Phantasie«, fasste Karla ungeduldig zusammen.
Brad nickte und sagte: »Du kannst ihm helfen.«
»Wie?«
»Indem du mich übernimmst.« Brad fixierte sie eindringlich. »Er klammert sich an die Ruinen seines Verstandes. Das ist immer so, ich habe es schon tausendmal erlebt. Wenn ich jetzt gehe, wird er sich wieder regenerieren. Wahrscheinlich kann er sich in Zukunft nicht mehr selbstständig die Schuhe zubinden. Aber er wäre nicht vollkommen matschig im Kopf und auch irgendwie noch am Leben. Zum Spazierengehen und Blümchenpflücken reicht es sicher noch.«
Karla schauderte. Die Gefühllosigkeit, mit der Brad über seinen Wirt sprach, widerte sie an. »Und du glaubst, dass ich mich freiwillig in so ein Verhältnis begeben möchte?«, fragte sie. »Damit ich in ein paar Jahren auch überschnappe?«
Brad sah sie mit weit geöffneten Augen an. »Du bist älter und stabiler, als er es war, als er mich aufnahm«, sagte er. »Du kannst gut noch zwanzig, fünfundzwanzig Jahre durchhalten, bevor es zu den ersten Ausfallerscheinungen kommt. Und bis dahin hast du einen First-Class-Daimon zu
Weitere Kostenlose Bücher