Last days on Earth: Thriller (German Edition)
Thema wechseln«, entgegnete Raoul. »Ich bin müde und mehr als nur beschwipst. Und du, verzeih mir, alter Freund, scheinst auch den Alkohol zu spüren, wenn du mit einer solchen Penetranz in meinem Seelenleben herumstocherst. Das sieht dir nicht ähnlich.«
Der Drache wich seinem Blick nicht aus. »Ich sorge mich um dich«, sagte er. »Das ist nicht ungewöhnlich unter Freunden. Aber vergib mir, wenn ich dir zu nahe getreten sein sollte.«
»Das bist du allerdings«, sagte Raoul knapp, aber er lächelte, um seinen Worten ein wenig die Schärfe zu nehmen. »Ich kümmere mich um den Diebstahl. Und was die Weinprobe angeht, ruf mich an.«
12. 19. 19. 03. 19.
Es war bereits dunkel, als Karla in der Nähe des »Passionate Shepherd«, des zum Casino gehörigen Nachtclubs, ihr Auto abschloss. Der verliebte Schäfer, der dem Club seinen Namen gab, glänzte frisch gemalt vom Schild über der Tür. Er stand vor seiner wolligen Herde und streckte die Hände nach einer leicht bekleideten Nymphe aus, die sich mit neckischem Lächeln zwischen den Schafen versteckte.
Der Hintereingang des »Shepherd« lag in einer dunklen Seitenstraße. Karla zögerte kurz. Die Lampe über der Hintertür leuchtete nicht. Dann packte sie ihren Rucksack fester und ging mit schnellen Schritten auf die Hintertür zu.
Der erste Schlag traf sie unvorbereitet. Sie hatte die Schritte und die schnelle Bewegung im Augenwinkel wahrgenommen, aber als sie sich umdrehte, streifte schon ein Schlag ihren Kopf. Karla schrie auf und ließ sich instinktiv fallen. Der Hieb hatte nicht ausgereicht, um sie zu betäuben, aber das wusste der Angreifer nicht. Er setzte nicht nach, sondern wartete offensichtlich auf jemanden, der nun von der Straße herangelaufen kam.
Karla rollte über die getroffene Schulter ab, die dabei vernehmlich knackte, und riss ihren Angreifer von den Füßen. Er grunzte überrascht und knallte zu Boden wie ein Sack Kartoffeln.
Karla kniete sich auf seine Brust und zerrte an dem Totschläger, den er fest umklammert hielt. Sie wehrte seine Faust ab und hielt ihn mit ihrem Gewicht und einem schnell gewobenen Bindezauber am Boden. Der Angreifer hatte die braunen, groben, wie aus Stein gehauenen Züge eines Trolls.
Sein Kumpan, ein schmalbrüstiger, blasser Kerl mit feuerroten Haaren und Katzenaugen, richtete eine Waffe auf sie. »Los, aufstehen!«, befahl er schrill. »Und ich will deine Hände sehen.«
Karla sah, wie die Mündung der Waffe zittrige Kreise zog. Für einen Werwolf war er zu unbehaart. Die Augen waren seltsam, feenähnlich, und die Ohren liefen spitz zu. Ein Kobold.
»Was willst du?«, fragte sie und hielt ihre Hände locker an den Seiten, bereit, einen Zauber zu werfen.
»Du sollst aufstehen und die Hände hochnehmen!«, rief er beinahe hysterisch.
»Ganz ruhig«, sagte Karla mit ihrer sanftesten Stimme. Sie legte einen Hypnozauber hinein und hoffte, dass er bei Kobolden wirkte.
Der Bann, den sie über den Troll gelegt hatte, löste sich. Er bewegte sich, grunzte, trat aus.
»Geh von ihm runter«, befahl der bewaffnete Kobold. Jetzt, wo sein Kumpan sich wieder regte, verlor er seine Angst. Die Pistole zielte ruhig auf Karlas Stirn.
Sie hob die Hände in Brusthöhe und stand auf. »Was wollt ihr?«
»Ein lautes Wort oder der Versuch abzuhauen, und ich knall dich ab«, sagte der Kobold.
Der Troll war inzwischen schwerfällig auf die Beine gekommen. Er schüttelte den plumpen Kopf, um die Reste des Banns abzuschütteln, und packte mit seiner schaufelgroßen Hand ihren Arm.
»He«, protestierte Karla, obwohl sie wusste, wie sinnlos das war. »Lass mich los!«
Der Troll grunzte nur und schob sie unsanft zum anderen Ende der Straße. Sie wehrte sich heftig und brachte ihn damit ins Stolpern. Er festigte seinen Griff, schnaufte kurz und warf sie sich über die Schulter. Die Finger seines anderen Arms berührten beinahe seine Fußknöchel – er war ein typischer, kurzbeiniger, breitbrüstiger, langarmiger Waldtroll. Die Gebirgstrolle waren zierlicher, wendiger und hatten längere Beine.
Karla baumelte über der Schulter des Trolls. Sein schaukelnder Schritt ließ ihren Kopf auf- und abhüpfen, und ihr wurde schlecht. »Wenn – wenn du nicht willst – dass ich dir – auf den Rücken – kotze«, rief sie, »dann – solltest du – uff – mich runter… – runterlassen!«
Sie hörte das Kichern des Kobolds, der ihnen folgte. »Es ist ihm egal«, verkündete er. »Olbnosch wird immer vollgekotzt.«
Am
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