Last days on Earth: Thriller (German Edition)
Ende der Straße wartete ein unauffälliger Lieferwagen mit abgeblendeten Scheinwerfern. Karla wurde unsanft in den Laderaum geworfen, die Türen knallten zu, und der Wagen fuhr los.
Die Fahrt dauerte nicht lange. Grelles Licht blendete sie, als die Türen des Lieferwagens aufsprangen. Karla hob die Hand und schirmte ihre Augen ab, versuchte vergeblich, etwas zu erkennen. Die Hand, die sie am Arm packte und aus dem Wagen zerrte, gehörte ganz sicher dem Troll. »Pass auf, Olbnosch«, fauchte sie. »Ich hab mir deinen Namen gemerkt!«
Der Troll grunzte nur und zerrte sie zu einem Gebäude. Ihre Augen passten sich an, sie konnte erkennen, dass sie sich in einem geschlossenen Hof befanden, der von einer Flutlichtlampe kalkweiß angestrahlt wurde.
Der Kobold, der ihren Rucksack unter den Arm geklemmt hatte, schloss eine kleine Tür an der Seite auf und verschwand darin. Der Troll schob Karla darauf zu, gab ihr einen Stoß, der sie ins Innere des Gebäudes taumeln ließ, und knallte die Tür hinter ihr zu. Riegel schnappten. Schon wieder stand sie im Dunkeln.
»Moment«, sagte der Kobold irgendwo vor ihr. Etwas klackte und ein schwaches Licht flammte auf. Sie stand in einem dunklen Treppenhaus. Der Kobold begann die Treppe hinaufzusteigen. Anscheinend war es ihm egal, ob sie ihm folgte oder stehen blieb. Einen Moment lang überlegte Karla, ob sie wieder aus der Tür gehen sollte, aber das Geräusch, mit dem sie zugeschlagen war, hatte ihr schon verraten, dass da ein magieresistentes Verschlusssystem im Spiel gewesen war. Und noch mehr verriet ihr das gleichgültige Verhalten des Kobolds, dass sie den Ausgang versperrt finden würde.
Die Treppe führte bis unter das Dach, zu einer Tür, die der Kobold öffnete.
Karla zögerte, als sie eintrat. Das Loft, von dem sie nur einen kleinen Ausschnitt sehen konnte, war dämmrig erleuchtet. Durch eine riesige Panoramascheibe erhaschte sie einen kurzen Blick auf die Lichter der Stadt, bevor sich eine Verdunkelung lautlos vor den Ausblick schob. Karla bemühte sich um eine neutrale Miene. Wenn ihre Entführer ihr keinen Aufschluss über ihren Aufenthaltsort hatten geben wollen, dann war dieser Teil des Plans nicht aufgegangen. Sie hatte den Messeturm am Horizont gesehen und etwas näher die Lichter einer Brücke. Damit und mit dem Hinweis, den ihr die kurze Fahrtzeit gegeben hatte, wusste sie, dass sie sich irgendwo in der Hafengegend befinden musste. Anfänger.
Sie hörte, wie eine samtdunkle Stimme mit leisem Vorwurf sagte: »Du weißt, dass du anklopfen musst, bevor du hier hereinplatzt, Finn. Wie oft habe ich dir das gesagt?«
Der Kobold bekam leuchtend rote Ohrenspitzen. »Sorry, Chef«, sagte er kleinlaut. Er gab Karla einen kleinen Schubs, der sie zur Ostseite des Lofts lenkte.
Sie ging über den spiegelnden Boden, auf dem sogar ihre weichen Schuhe dumpfe Geräusche machten. Alles in diesem Raum schien entweder aus Metall, Stein oder Glas zu bestehen. Sie sah keinen gepolsterten Sessel, kein Sofa, keine Kissen, keinen Teppich, nicht ein einziges dekoratives Element, nichts Weiches. Nur nüchterne, klare, kalte Linien.
Der Eindruck wurde noch verstärkt durch das völlige Fehlen jeglicher Farbe. Alles war schwarz, weiß, grau. Karla fröstelte unwillkürlich.
Der Mann, dessen Stimme sie eben gehört hatte, saß in entspannter Haltung hinter einem spiegelnd schwarzen Schreibtisch, der wie ein Monolith mitten im Raum stand. Sie erkannte ihn trotz der schwachen Beleuchtung sofort.
»Vittore Perfido«, sagte sie. »Ich hätte es mir denken müssen!«
»Magistra van Zomeren.« Er erhob sich und streckte ihr die Hand entgegen. »Endlich lernen wir uns kennen.« Er war mittelgroß und schlank, trug einen gut geschnittenen grauen Anzug mit blütenweißem Hemd und perlgrauer Krawatte, hatte sein weißblondes Haar straff zurückgekämmt und musterte sie aus Augen, die beinahe farblos erschienen. Er entblößte lächelnd ein makelloses Gebiss. »Wir sind uns bisher noch nicht persönlich begegnet. Ich freue mich wirklich. Und Sie sind noch sehr viel attraktiver, als Sie mir beschrieben wurden. Danke, dass Sie mir Ihre kostbare Zeit schenken. Wollen wir uns nicht setzen?« Er legte seine Hand sacht an ihren Ellbogen und wies auf eine Sitzecke aus schwarzem Leder.
Karla blieb stehen und verschränkte die Arme. »Ihre beiden Schläger haben mich überfallen und gewaltsam hergebracht. Also hören Sie auf, mir den vollendeten Gastgeber vorzuspielen. Was wollen Sie von mir,
Weitere Kostenlose Bücher