Last days on Earth: Thriller (German Edition)
oder darf ich Sie ›Karla‹ … nein? Nun gut. Sie verfolgen mich seit über einem Jahr – nicht ich Sie. Ich müsste unhöflich und grob zu Ihnen sein – nicht Sie zu mir.« Er beugte sich vor. Karla konnte in seinen farblosen Augen nichts lesen, sie waren so ausdruckslos wie die Fenster einer leeren Wohnung. »Ich erwarte ein Mindestmaß an Höflichkeit im Umgang miteinander. Darf ich also jetzt zumindest ausreden?«
Karla zuckte die Achseln. »Bitte.«
»Ich möchte, dass Sie für mich arbeiten.«
Karla nickte resigniert und stand auf. »Nein danke. Bringt Finn mich zurück?«
Perfido sah sie einen Moment lang reglos an. Dann schüttelte er sacht, aber entschieden den Kopf. »Hören Sie bitte an, was ich zu sagen habe. Wenn Sie dann immer noch ablehnen möchten, werde ich Sie gehen lassen. Aber ich möchte, dass Sie gut über mein Angebot nachdenken.«
»Also bitte. Ich höre Ihnen zu.« Karla setzte sich wieder hin.
»Ich habe ein paar Nachforschungen über Sie angestellt.« Er nahm einen dünnen Ordner, der neben ihm auf dem Sitz gelegen hatte, und schlug ihn auf. Ohne einen Blick hineinzuwerfen, fuhr er fort: »Sie sind vor elf Jahren gleich nach Ihrem Studium bei der MID eingestiegen. Das ist doch richtig?«
Karla nickte abwartend. Das war kein Geheimnis.
»Dort haben Sie zügig Karriere gemacht, aber vor vier Jahren gab es einen Zwischenfall. Sie wurden für ein halbes Jahr vom Dienst suspendiert und zwei Besoldungsränge zurückgestuft.« Karla erwiderte seinen Blick ausdruckslos. Auch das war etwas, das jeder wissen konnte. Es hatte damals einen ordentlichen Wirbel gegeben. Ein Hehlerring, der unter anderem magische Artefakte der Geheimhaltungsstufe Drei an Versatile verkauft hatte, sollte nach einigen Monaten der Observierung ausgehoben werden. Diese Aktion war durch eine Verkettung unglücklicher Zwischenfälle so gründlich in die Hose gegangen, dass das Debakel sich nicht mehr hatte unter den Teppich kehren lassen. Der damalige Leiter der MID hatte, um seinen eigenen Kopf zu retten, einige Sündenböcke geopfert, und einer davon war Karla gewesen. Sie wurde beschuldigt, Zielpersonen einen Hinweis auf den bevorstehenden Zugriff gegeben zu haben, was letztlich die gesamte Aktion zum Scheitern gebracht hatte.
Das Fatale daran war, dass wirklich Informationen aus der Dienststelle nach außen gedrungen sein mussten. Obermagister Korngold hatte noch versucht, sich für seine Mitarbeiterin in die Schusslinie zu werfen, aber als man auch ihm mit einem Untersuchungsverfahren drohte, hatte er sich letztlich dafür entschieden, seine eigene Haut zu retten. Karla konnte ihm das nicht verübeln.
Sie hatte dem Impuls widerstanden, ihren Dienst zu quittieren, und zähneknirschend das Opferlamm für die Abteilung gespielt. Korngold hatte ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass er ihr das nicht vergessen würde, wenn erst einmal Gras über die Sache gewachsen wäre. Kaum ein Jahr später war Karla tatsächlich wieder in ihren vorherigen Rang und zu ihrem alten Aufgabengebiet zurückgekehrt. Dennoch war der Makel in ihrer Personalakte unauslöschlich.
Und jetzt musste sie sich von einem Gangster wie Perfido gefallen lassen, dass er sie mit einem Blick taxierte, der deutlich sagte: Du hast doch Dreck am Stecken, also warum spielst du mir hier die Heilige vor?
Karla zog es vor, nichts dazu zu sagen. Jeder Versuch der Erklärung wäre ihr nur als Schwäche ausgelegt worden. Perfido war ein Wolf. Ein Moment der Unsicherheit, und sie konnte froh sein, wenn sie mit heiler Haut hier rauskam.
Perfido wartete auf einen Kommentar von ihr, aber als Karla eisern schwieg, senkte er den Blick auf den Bericht. Er gab vor, darin zu lesen, aber Karla wusste, dass er die Informationen über sie im Kopf hatte. Ein Perfektionist, so hatten ihre Informanten ihn beschrieben. Ein gerissener, intelligenter, hart arbeitender, führungsstarker und gut organisierter Manager. Nur schade, dass sein Business das Verbrechen war und nicht irgendeine legale Branche.
Er hob den Blick und fixierte sie mit gespieltem Staunen. »Ich erfahre hier, dass Sie die Gespielin eines geschätzten alten Freundes sind. Das ist aber eine erfreuliche Neuigkeit, liebe Frau van Zomeren!«
Karla klammerte die Hände ineinander. Verdammt. Verdammt. Verdammt.
»Worauf wollen Sie hinaus, Perfido?«, fragte sie zornig.
Er legte den Bericht beiseite und lehnte sich mit ausgebreiteten Armen zurück. Sein Blick war freundlich und kalt zugleich. »Wie ich
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