Last days on Earth: Thriller (German Edition)
Ich fürchte sie wie die Hölle. Und deshalb gehe ich jetzt mit dem Prinzen der Dunkelheit essen.
»Warum lachen Sie?«, fragte Raoul und kam auf die Füße. »Essen gehen. Warum nicht. Wo?«
»Bei meinem Lieblingschinesen. Vertrauen Sie mir.« Sie klopfte ihm auf die Schulter, denn er verzog das Gesicht. »Mein Gehalt reicht nicht für die teuren Restaurants, in denen Sie wahrscheinlich zu verkehren pflegen, Herr von und zu. Aber der ›Garden of the Blue Lotos‹ hat eine wirklich gute Küche.«
»Was für ein hochtrabender Name«, murmelte er. »Ich hasse diese ›zweimal Fünfundsiebzig mit Reis, scharf‹-Buden.«
Sie lachte und gab ihm einen Schubs. »Nicht meckern, bevor Sie probiert haben, Raoul.« Und während sie hinausgingen und die Tür ins Schloss zogen: »Übrigens würde ich Ihnen eher die Hundertdrei mit gebratenen Nudeln empfehlen.«
12. 19. 19. 04. 00.
»Und dann hatte dieses Kieselsteingehirn schon Fokko seinen Totschläger auf den Kopf gedroschen, ehe ich vom Boden wieder hochkam.« Karla bemerkte, dass das Pärchen am Nebentisch zu ihr hinsah, und schob mit den Stäbchen die Reste aus ihrer Schale in den Mund. Die süßscharfe Soße brannte am Gaumen und sie genoss den Nachgeschmack des Ingwers.
Raoul hatte das Kinn in die Hand gestützt und sah sie an. In der Schüssel zwischen ihnen schimmerte gelblich ein Curry und leuchtete ein roter Rest von Chili-Ingwer-Soße, und neben Karlas Teller klebte Reis auf dem Tischtuch. Sie pickte ihn mit den Stäbchen auf und warf ihn auf das Serviertablett. Dann deutete sie auf die Curry-Reste. »Mögen Sie das noch?«
Raoul schüttelte den Kopf und schob ihr die Schüssel hin.
»Es hat Ihnen nicht geschmeckt«, sagte Karla vorwurfsvoll. Wenn sie mit Fokko hier essen gegangen war, dann waren die Schüsseln immer blankgeputzt zurück in die Küche gegangen, und vorher hatte Karla zusehen müssen, dass sie sich ihren Anteil sicherte.
Raoul blinzelte, als wäre er schläfrig. »Nein, nein«, murmelte er. »Es war wirklich köstlich. Vor allem die Siebenunddreißig mit allem …« Er duckte sich und ließ Karlas Serviette über sich hinwegfliegen.
»Trinken wir noch einen Kaffee?« Karla war es peinlich, dass sie ihm jetzt auch noch von ihrem katastrophalen letzten Einsatz mit ihrem alten Partner erzählt hatte. Was ging ihn das an? Und was sollte er schon dazu sagen? Herzliches Beileid?
»Sie vermuten, dass Perfido dahintersteckt«, sagte Raoul. »Aber warum sollte er versuchen, Sie zu töten? So etwas zieht doch unweigerlich eine Aufmerksamkeit des Magisteriums mit sich, die er sich auf keinen Fall wünschen würde.«
Karla winkte ihrer Kellnerin. »Wir sind ihm zu sehr auf die Pelle gerückt«, erwiderte sie. »Ich war so unglaublich dicht dran, ihm die Explosion in der Wunderland-Diskothek nachzuweisen. Und wenn er das gewesen ist, dann hängt er auch in dem Kaufhaus-Ding drin, denn das trug die gleiche Handschrift.«
»Und jetzt bietet er Ihnen einen Job an?« Raoul hob die Brauen. »Das klingt für mich nicht logisch.«
Die Kellnerin brachte den Kaffee in winzigen Tassen. Karla kannte das Gebräu und schaufelte drei Löffel Zucker hinein, während Raoul ihr fasziniert dabei zusah. »Und Sie?«, fragte Karla und nippte vorsichtig. Heiß. Sehr heiß.
»Ich? Ich bin langweilig.« Raoul nahm das Tässchen und trank. Karla wartete auf den Schmerzenslaut, aber da kam nichts. Er setzte die leere Tasse ab und runzelte die Stirn. »Schmeckt ja grauenhaft.«
»Sie haben zu wenig Zucker reingetan.« Er musste einen asbestausgekleideten Rachen und eine Zunge aus Blei haben. Karla riss ihren Blick von seinem Mund los und ließ ihn zu seinen Augen emporwandern. Dunkler Bernstein, überschattet von schwarzen Wimpern.
»Langweilig?«, sagte sie. »Wenn Sie langweilig sind, bin ich Groucho Marx.«
Er grinste. »Wo ist Ihr Schnurrbart, Groucho?«
Karla lehnte sich zurück. »Nun kommen Sie schon. Erzählen Sie mir eine schmutzige Anekdote aus Ihrer wilden Jugend.«
Er lächelte nicht. Sein Gesichtsausdruck war so finster wie der des Porträts in seinem Wohnzimmer. »Ich bin nicht interessant«, sagte er, und Karla wunderte sich über die Schärfe in seiner Stimme. »Ich bin, was Sie sehen. Magier und Suchender.«
Nun stützte sie ihr Kinn in die Hand. »Suchender?«
Er zeichnete mit seinem Kaffeelöffel Linien aufs Tischtuch. »Jeder Magier ist ein Suchender.«
»Ist das so?«
»Würden wir uns sonst mit der Hohen Kunst
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