Last days on Earth: Thriller (German Edition)
beschäftigen?«
Karla schüttelte den Kopf. Das war ihr viel zu abgehoben. »Ich bin Hexe, weil ich die Fähigkeit besitze, eine zu sein. Und ich bin zur MID gegangen, weil ich gerne Rätsel löse.«
Er lachte. »Also habe ich recht: Sie sind eine Suchende.«
»Wenn Sie wollen.« Karla verspürte keine Lust auf Wortklaubereien. »Und Ihr Daimon? Wie gehört der ins Spiel?«
Seine Miene wurde ausdruckslos. »Er ist eine Hilfe. Ein Werkzeug. Nichts weiter.«
Karla schniefte skeptisch. Was sie bis jetzt von Brad gesehen hatte, machte allerdings einen vollkommen anderen Eindruck auf sie.
Sie sah auf die Uhr. »Ich muss los. Bringen Sie mich zu meinem Auto zurück?« Sie zog ihre Geldbörse aus der Jackentasche.
Raoul beugte sich vor und legte seine langfingrige Hand um ihr Handgelenk. »Darf ich das erledigen?«
Karla ließ die Berührung zu und erwiderte seinen Blick. »Es hat Ihnen doch noch nicht einmal geschmeckt.«
Er hielt immer noch ihre Hand fest. »Doch, das hat es. In Ihrer Gesellschaft zu dinieren war ein großes Vergnügen.«
»Dinieren«, lachte Karla. Sie zog ihre Hand zurück und steckte das Portemonnaie wieder ein. »Na gut. Heute sind Sie dran, Langer, und beim nächsten Mal ich.«
Sie fuhren durch die nächtlichen Straßen zurück zu Raouls Wohnung. Karla war still und nachdenklich. Sie hatte es vor sich hergeschoben, aber nun musste sie sich dem Gespräch mit Kit stellen. Sie fürchtete sich vor der Auseinandersetzung. Und noch mehr fürchtete sie sich vor dem, was sie erfahren würde und mit Sicherheit nicht wissen wollte. Kit und sie hatten alles Berufliche so weit wie möglich aus ihrer Beziehung herausgelassen. Mit dem, was sie von Perfido erfahren hatte, würden sie nun den sicheren Grund verlassen und schwankenden Boden betreten.
Karla seufzte. Sie würde sich heute Nacht der Frage stellen müssen, um deren Beantwortung sie sich schon seit zwei Jahren drückte. Liebte sie Kit Marley? Und falls sie ihn liebte – wie weit war sie bereit, dafür zu gehen?
Der Vampir saß an seinem Schreibtisch und brütete über einem Wust von Papieren, Kontobüchern und Rechnungen. Karla hatte sich immer darüber amüsiert, dass Kit diese Sachen nicht an einen seiner Angestellten delegierte. Er hatte einen Buchhalter und einen zweiten Geschäftsführer – warum, bei Kokopellis Buckel, ließ er die nicht den Papierkram erledigen?
»Kontrolle«, sagte er, ohne aufzublicken. Natürlich hatte er gespürt, dass sie hereingekommen war – wahrscheinlich schon, als sie unten durch die Haustür getreten war. Und natürlich wusste er, was sie gerade dachte, obwohl es dazu keiner Vampirsinne bedurft hätte. Sie zog ihn nämlich jedes Mal auf, wenn sie ihn bei seiner Büroarbeit erwischte. Ein Vampir, der Buchführung machte!
Kit sah auf und lächelte. »Du bist zu lesen wie ein offenes Buch.«
Karla schlug die Augen nieder und biss die Zähne zusammen. Wenn dem so war, dann brannte hier gleich die Hütte. Sie drehte sich um und legte ihre Jacke über einen Stuhl. »Hallo, Kit.«
»Hallo, meine Liebste.« Seine Stimme, so samtweich und zärtlich, dass sich ihre Nackenhärchen aufrichteten wie unter einer sanften Berührung. »Du hast mich gestern versetzt. War es etwas Schlimmes?«
Karla legte ihren Rucksack ab und drehte sich um. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Wieso fühlte sie sich jetzt schon in der Defensive? »Wie man es nimmt«, erwiderte sie in neutralem Ton. »Ich hatte einen anstrengenden Tag.«
Seine Augen weiteten und verengten sich sofort wieder. Karla konnte sehen, wie er Witterung aufnahm. Ein Raubtier. Sie verlor es gelegentlich aus den Augen, weil Kit so sanft sein konnte, so zartfühlend und so liebevoll. Aber er war ein verdammtes, blutgieriges, kaltblütiges Raubtier wie alle Vampire, und es wäre ein Riesenfehler von ihr, das jemals zu vergessen.
»Du hattest einen anstrengenden Tag«, wiederholte er und lehnte sich zurück. Sein Gesicht lag nun vollkommen im Schatten, und sie konnte nur den Tonfall und Klang seiner Stimme als Gradmesser seiner Stimmung nehmen. »Und das hat dich daran gehindert, mich abends anzurufen und mir mitzuteilen, dass du nicht kommen kannst.«
Sie hob die Schultern. »Kit, es tut mir leid. Ich hätte dich nicht einfach versetzen dürfen.«
»Nein, das hättest du nicht.« Seine Stimme klang so neutral, als läse er ihr aus der Zeitung vor. »Aber es ist nun mal geschehen. Ich nehme deine Entschuldigung an.«
Karla biss die Zähne zusammen.
Weitere Kostenlose Bücher