Last days on Earth
unwesentliches
Zeug, aber hier und da mochte in all dem Abfall auch ein Goldkörnchen versteckt
sein. Das war Arbeit für Brad.
Raoul lieà seinen Blick wandern. Das war eine dieser Spelunken, in
denen man auf jede Sorte Wesen treffen konnte. Er wollte Schneewittchen heiÃen,
wenn hier nicht auch Versatile verkehrten.
»Ich hole uns noch was zu trinken«, sagte er und stand auf.
Im vorderen Gastraum stellte er sich neben die Banshee, die ihn eben
so unverhohlen angeflirtet hatte. »Hallo«, sagte er.
»Hi, Brad.« Ihre weiÃen Finger strichen zärtlich über seinen Arm.
»Du hast dich ganz schön rargemacht. Gehen wir zu mir?«
Er lieà es zu, dass sie sich an ihn schmiegte. Sie roch ganz zart
nach Flieder, und ihre gelben Augen glänzten vor Verlangen. Raoul sah den
phosphoreszierenden Schimmer in ihren Pupillen und wich ein wenig zurück. »Ich
bin nicht alleine hier«, sagte er.
Die Banshee schüttelte das lackschwarz glänzende Haar aus ihrem
Gesicht und warf schmollend die Lippen auf. »Die magere Hexe.« Sie schnaubte
verächtlich. »Sie ist eine Halb-und-Halbe. Wie kannst du so etwas hier anschleppen,
Brad?«
Er zuckte die Achseln. »Wir sind befreundet.«
Sie klimperte mit den Wimpern und kniff Raoul spielerisch in die
Wange. »Mit ihr befreundet«, sagte sie. »Du bist schon ein Irrer. Na, dann bis
zum nächsten Mal, da bist du hoffentlich wieder ohne Begleitung hier.« Sie hob
sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Ihre Lippen waren kalt.
»He, warte«, sagte Raoul, als sie ihn loslieà und sich abwandte.
»WeiÃt du, ob Versatile hier sind?«
Sie drehte sich noch einmal um und warf ihm einen koketten Blick zu.
»Was bekomme ich dafür?«
Raoul erwiderte unbeirrt ihren flammenden Blick. »Ich lade dich
ein.«
»O-kie«, erwiderte sie fröhlich. Sie packte seine Hand und zog ihn
zur Theke. »Gella, einen Sekt. Nicht die billige Plörre, hörst du? Brad zahlt.«
Die Trollfrau grinste breit und holte eine Flasche aus dem
Kühlschrank. Raoul nickte und hielt zwei Finger hoch.
Die Banshee nippte an ihrem Glas und seufzte verzückt und leckte
einen Tropfen von ihrer Lippe. »Also, was wolltest du wissen?« Sie drehte sich
um und musterte die Menge. »Dort hinten, in der Nische«, zeigte sie. »Der Dicke.
Das ist einer von denen.« Sie drehte sich wieder zur Theke und trank ihr Glas
leer. »Ah. Das ist so gut.« Ihr Blick klebte an dem zweiten Glas. Raoul grinste
und schob es ihr hin.
Er lieà sich weiter durch den Raum treiben, bis er in der Nähe der
Nische ankam, auf die Sereena gezeigt hatte. Dort saà ein Mann hinter einem
halb leeren Glas Bier und las in einem Buch ohne Schutzumschlag. Raoul ging vorbei,
als suchte er nach jemandem, und sah den Mann dabei aus dem Augenwinkel an. Er
war in den Vierzigern, füllig, wirkte unauffällig â wenn man davon absah, dass
er sich in einer Kneipe aufhielt, die vor allem von Nichtmenschen frequentiert
wurde.
Raoul drehte sich um, und im gleichen Augenblick sah der Mann von
seinem Buch auf. Ihre Blicke trafen sich. Raoul erwartete, dass der Versatile
wieder gleichgültig den Kopf senken würde, aber zu seiner Ãberraschung nickte
er ihm zu und gab Raoul ein Zeichen, sich zu ihm zu setzen.
Raoul rückte auf die Bank und sah den Versatilen abwartend an.
»Ich dachte, wir wollten uns nicht in der Ãffentlichkeit treffen«,
eröffnete der Mann das Gespräch.
Raoul machte ein unbestimmtes Geräusch.
Der Versatile klappte sein Buch zu. »Gibt es ein Problem?« Er hatte
ein rundes Gesicht mit besorgten kleinen Augen und einem viel zu kleinen Mund.
Das verlieh ihm den Ausdruck eines ängstlichen Säuglings.
»Nein, nein«, beeilte Raoul sich zu versichern. »Alles bestens. Ich
bin mit einer Bekannten hier.«
Der andere nickte. »Gut, dann bin ich ja beruhigt. Ich dachte
schon â¦Â« Er rückte ein wenig vor: »Diese Bekannte â das ist die
Ex-Schnüfflerin, oder?«
Raoul nickte widerstrebend. Der Versatile klopfte mit den Fingern
auf den Tisch. »Hör mal, Brad, du hast recht. Stell sie mir vor. Dann laufen
wir nicht Gefahr, dass sie uns in eine unangenehme Situation bringt.«
Raoul dachte rasend schnell nach. Karla würde ihn einen Kopf kürzer
machen, wenn er diese Gelegenheit verstreichen lieÃ. Er stand auf. »Ich hole
sie her.«
Karla
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