Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
ein wenig verletzt an und kreuzte die
Arme vor der Brust. »Danke«, erwiderte sie kühl.
    Er nickte steif und wandte sich zur Tür. »Ich habe Kopfschmerzen«,
sagte er. »Lege mich ein wenig hin.« Die Tür schlug hinter ihm zu.
    Karla stand da und schwankte zwischen Zorn, Kränkung und
Erleichterung. Dann hängte sie das Kleid auf und begann die neue Wohnung zu
beziehen.
    Eine Stunde später stand sie in Raouls Küche und suchte nach
einem kalten Getränk. Aus dem Badezimmer drang das Rauschen von Wasser, und im
Arbeitszimmer begann das Telefon zu klingeln.
    Raoul kam aus der Dusche, als sie gerade den Hörer auflegte. Karla
grinste ihn an und hob den Daumen. »Sonny hat möglicherweise den Auftraggeber
des Wurdelaks aufgespürt.«
    Raoul schüttelte das Wasser aus seinem Ohr. »Guter Mann«, sagte er.
Karla sah, dass sein Blick glasig wurde. Brad war in der Leitung.
    Karla wartete, ob sie eingreifen musste, aber nach einigen Atemzügen
klärte sich Raouls Blick, und er begann zu lachen. »Brad auch«, sagte er. »Dann
finden wir mal heraus, wer von beiden recht hat.«
    Karla breitete schon den Stadtplan aus und fuhr mit dem Finger
darüber. »Hier, irgendwo im Gewerbegebiet am Hafen.« Sie kniff die Augen
zusammen. »Die Straßennamen kenne ich alle nicht. Da verschlägt es einen ja nie
hin.«
    Raoul sah ihr über die Schulter. »Betriebsgelände, Lagerhallen,
Containerflächen, stillgelegte Firmen …« Er runzelte die Stirn. »Brad?«
Seine Hand fuhr in ziellosen Kreisen über den Plan und landete auf einem Punkt
im Hafen. Raoul sah Karla fragend an. Sie nickte.
    Â»Dann los.« Er stand schon an der Tür, sichtete den Inhalt seiner
Tasche und griff nach seinem Stab.
    Es war schon dunkel, als sie das Gewerbegebiet erreichten.
Tagsüber herrschte hier reger Verkehr – Lastwagen, Arbeiter, Lieferanten – aber
nach Feierabend war dieser Ort menschenleer.
    Sie parkten irgendwo im Gelände und stiegen aus. Sie gingen
schweigend die Straße hinunter. Rechts und links lagen Grundstücke in tiefer
Dunkelheit. An manchen der flachen Gebäude flammten Scheinwerfer, die einen
Gewerbehof in kalkiges Licht tauchten. Außer ihren Schritten war nichts zu
hören. Aus der Ferne wehten Fetzen von Musik, es roch nach Brackwasser, über
allem lag das stete Brummen von der Autobahnbrücke. Irgendwo heulten Wölfe –
wahrscheinlich war hier ein beliebter Treffpunkt für junge Werwolfrüden.
    Es war ein endlos langer Schlauch von Straße, und es dauerte einige
Minuten, bis sie das Grundstück fanden. Karla musterte die rostzerfressenen
Containergebäude. Eine Speditionsfirma.
    Raoul kniete auf dem Boden und zeichnete eine Sigille in den Staub.
Karla sah, wie er mit seinem Stab eine Beschwörung wob. Sekundenlang hing die
Zeichnung wie ein Geisterbild aus hellen Linien in der Luft zwischen ihnen,
dann verblasste sie. Raoul atmete aus und zerstörte die Zeichnung mit dem Fuß.
    Karla hatte sie im gleichen Augenblick vergessen. Sie sah zu Raoul
auf. »Ich kann es tun, wenn du mir sagst, was es bewirkt.«
    Er zog eine Braue empor. »Du kannst was tun?«
    Â»Die Sigille.« Karla verschränkte die Arme. »Tora-san hat mir
gezeigt, wie man sie vergisst.«
    Raoul lachte auf. »Das hat sie? Eben mal zwischen Tür und Angel?
Dafür habe ich drei harte Jahre gebraucht.«
    Karla griff nach seinem Arm und drückte ihn. »Du hast dir die
falsche Schule ausgesucht.«
    Â»Ich will den Kerl finden, ohne dass er zuerst auf uns aufmerksam
wird.« Er wandte den Kopf und lauschte. Dann fuhr er fort: »Die Sigille dient
dazu, ihn zu orten und für ein paar Minuten aus der Zeit zu nehmen. Ich habe
einen kleinen Schnüffelzauber, der uns verraten wird, wo sich ein organisches
Wesen aufhält.«
    Karla nickte. »Ich löse die Sigille aus, wenn wir ihn gefunden
haben. Einverstanden?«
    Raoul nickte und blickte auf den Gebäudekomplex. Er schloss die
Augen, öffnete sie wieder, sah zum Himmel, klopfte mit dem Fuß einen
komplizierten Rhythmus und bewegte die Hände dazu.
    Dann löste sich ein Lichtschimmer von seiner Hand, breitete sich aus
und legte sich wie ein geisterhaftes Netz über die Container vor ihnen. Karla
sah fasziniert zu, wie die einzelnen Maschen nacheinander heller schimmerten
und wieder erloschen. Das Netz löste sich auf, zog sich

Weitere Kostenlose Bücher