Last days on Earth
setzen wir an dieser Stelle noch einmal an?«, schlug
Raoul vor. »Wir stecken doch ohnehin fest. Alle Spuren, denen wir gefolgt sind,
verlaufen im Sand. Machen wir also einen letzten Versuch, ehe wir aufgeben und
in unsere alten Leben zurückkehren?« Im gleichen Moment hätte er sich am
liebsten auf die Zunge gebissen. Für Karla gab es kein Zurück mehr.
»Ein Neustart«, erwiderte sie nachdenklich. »Vielleicht ist das die
Lösung. Du bist manchmal ein kluger Mann, Raoul.«
»Nur manchmal?« Er lachte, aber er fühlte sich unbehaglich. Ihre
Worte schienen mehr zu meinen als ihren gemeinsamen Fall.
»Sollen wir uns in die Kostümprobe stürzen?«, fragte er.
Raoul führte sie zum Ankleidezimmer â das eigentlich eine
Abstellkammer für alle möglichen Haushaltsgerätschaften war und auÃerdem einen
groÃen Kleiderschrank beherbergte. Er öffnete die beiden Türen und lud Karla
mit einer Handbewegung ein, sich alles anzusehen. Dann hockte er sich auf einen
Schemel, schlug die Beine übereinander und sah ihr dabei zu, wie sie Bügel von
links nach rechts schob und an Kleiderstoffen zupfte.
»Das ist ungefähr meine GröÃe«, sagte sie und hängte ein langes, eng
geschnittenes Kleid in einem leuchtenden Orange an die Tür. »Aber die Farbe ist
grauenhaft.«
Raoul stellte sich vor, wie sie es trug, und unterdrückte ein
Geräusch, das gegen ihn hätte ausgelegt werden können. Er bemühte sich um eine
neutrale Miene und machte: »Hm.«
Karla wühlte weiter. »Betreibt Brad einen Kostümverleih?« Sie lachte
und hielt ein paillettenbesticktes giftgrünes Minikleid hoch. »Wenn ich das
anziehe, gibt es einen Skandal, oder?«
»Garantiert.« Raoul betrachtete das Kleid und Karla und zog es vor,
sich lieber nicht vorzustellen, wie sie darin aussehen würde. Er hustete und
konzentrierte sich zur Abkühlung seiner überhitzten Fantasie eine Weile auf ein
Arrangement aus Besen und Eimer, das in der Ecke stand.
Karlas Ausruf lieà ihn herumfahren. Sie stand da und hielt mit
verzückter Miene ein weinrotes Kleid in den Händen. »Raoul, wenn das passt! Das
ist das Kleid, von dem ich mein Leben lang geträumt habe!« Sie sah sich um.
»Ich brauche einen Spiegel. Geh raus, Langer. Ich will dieses Kleid
anprobieren. Spiegel? Es muss hier doch so etwas wie einen Spiegel geben!«
Raoul sprang auf und verneigte sich förmlich. »Ich sorge für Euer
Abbild, Dame meines Herzens.«
Karla lächelte. »Dann lauft, mein Ritter.«
Raoul stand hinter der geschlossenen Tür. Im Ankleidezimmer
raschelte und klapperte es. Er stellte sich vor, wie Karla den Seidenstoff über
ihren Kopf und ihren Körper gleiten lieÃ, wie sie sich verrenkte, um den
ReiÃverschluss zu schlieÃen, wie ihre Hände den Stoff glatt strichen â¦
»Reià dich zusammen, Winter«, sagte er grimmig.
Die Tür öffnete sich, gerade als er mit einem Standspiegel
zurückkehrte. Raoul schob ihn mit abgewandtem Blick vor sich her und stockte,
als Karla ihm entgegentrat. »Oh«, sagte er und zwang sich, nicht zu auffällig
zu starren. »Das sieht aus, als wäre es für dich genäht worden.«
Das dunkelrote Seidenkleid saà an Karla, als hätte es jemand
aufgemalt. Vom ärmellosen Oberteil bis zur Hüfte war es so eng, dass Raoul sich
fragte, wie sie es überhaupt geschafft hatte, ohne Hilfe in das Ding
hineinzukommen. Karla strahlte ihn an. »Es ist umwerfend, oder?« Sie drehte
sich um die eigene Achse. Der verboten tiefe Rückenausschnitt des Kleides war
ebenso atemberaubend wie seine Vorderansicht. Raoul schluckte.
Karla vollendete die Drehung und sah in den Spiegel, den Raoul ihr
hastig hinschob. »Ach«, sagte sie und starrte versunken ihr Spiegelbild an,
ohne sich dabei in die Augen zu sehen.
»Warte«, sagte er. »Das ist noch nicht komplett.« Er ging ins
Arbeitszimmer und löste den Bannzauber vom Tresor. Mit der Schatulle, die darin
neben einigen schwer zu beschaffenden und illegalen magischen Ingredienzien
gelegen hatte, kehrte er zu Karla zurück.
Aus dem Kästchen blitzte es weià und tiefgrün. Karla schnappte nach
Luft, als sie das Collier vorsichtig von seiner Samtunterlage nahm. »Raoul, ist
das echt?«
»Quass hat es mir für dich mitgegeben. Es ist unsere Garantie dafür,
dass Norxis von Felsenstein
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