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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Herr Winter«, sagte sie, »natürlich liegt mir
außerordentlich viel daran, dass dieses ungeheuerliche Verbrechen aufgeklärt
wird. Der arme Herr Rosko.« Sie verstummte und presste die sorgfältig
geschminkten Lippen zusammen. Während sie mit klackenden Absätzen über den
spiegelnden Marmorboden ging, erklärte sie Raoul, der wie selbstverständlich
ihren Arm genommen hatte, dass der arme Herr Rosko schon seit mehr als zehn
Jahren als Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes für das Museum
zuständig gewesen war. Er sei ja nun als – hm – Wolfsmensch geradezu
prädestiniert gewesen für diese Aufgabe. Ein so lieber Mann und so zuverlässig.
Und so eine scharfe Nase.
    Karla folgte den beiden. Der Saal, durch den sie gingen, war ein
barockes Sammelsurium aus vergoldeten Bilderrahmen, Spiegeln, Marmor,
glänzendem Boden und überall angebrachten Schnörkeln. Die Kuratorin schloss
eine unauffällige Spiegeltür auf und ließ Raoul vorgehen. Beinahe hätte sie
Karla ausgesperrt, aber die schob schnell ihren Fuß in den Türspalt und zeigte
der Kuratorin hinter ihrem Rücken den Mittelfinger. Raoul fing die Geste auf
und zog eine Braue empor. Karla konnte seine Gedanken förmlich lesen. Nein,
werter Kollege, das war einer weißen Hexe nicht angemessen. Aber manchmal hatte
auch sie ihre dunklen Momente. Sie erwiderte seinen Blick mit einem Grinsen.
    Die Kuratorin führte sie in ihr Büro, das nüchtern und modern
eingerichtet war. Frau Dr. Gernhardt erzählte nun in aller Ausführlichkeit, wie
sie morgens ihren täglichen Rundgang gemacht hatte, um zu sehen, ob alles in Ordnung
war. Dabei hatte sie entdeckt, dass die Sammlung Felsenstein unvorschriftsmäßig
mit weit geöffneten Türen jedermann zugänglich gewesen sei.
    Â»Worum handelt es sich bei der Sammlung Felsenstein?«, warf Karla
ein.
    Die Kuratorin sah sie an, als hätte der Stuhl, auf dem sie saß, zu
sprechen begonnen. »Ich habe Ihren Namen vergessen, Magistra«, sagte sie
strafend, als wäre Karla daran schuld.
    Â»Van Zomeren«, erwiderte Karla. »Die Sammlung?«
    Â»Eine sogenannte › Giftschrank‹-Sammlung«,
sagte die Kuratorin. »Wir halten sie unter Verschluss, und nur besonders
autorisierte Personen dürfen sie besichtigen.«
    Â»Warum?«, fragte Raoul.
    Â»Die Schriftwerke, die diese Sammlung beinhaltet, sind nicht für
jedermann geeignet. Die Magische Behörde hat die Sammlung begutachtet und die
Empfehlung ausgesprochen, nur Magiern und Hexen einer höheren Einstufung den
Zugang zu erlauben«
    Â»Magische Schriften«, sagte Raoul.
    Â»Ja. Ich verstehe nichts davon.« Dr. Gernhardt hob die Schultern.
»Ich bin, wie Sie sicherlich festgestellt haben, unbegabt.«
    Â»Wir sagen dazu › magisch
benachteiligt‹«, sagte Karla ein wenig spitz. Da bemühte man sich, so politisch
korrekt wie möglich über solche Behinderungen zu sprechen, und die Betroffenen
selbst kokettierten mit den Schimpfnamen. Dabei hatte die Kuratorin den
Werwolf-Wachmann überkorrekt als »Wolfsmenschen« bezeichnet. Das hörten
Werwölfe selbst im Übrigen gar nicht gerne.
    Â»Wer betreut diese Sammlung?«, fragte Raoul.
    Â»Bis zum Jahresende war das Dr. Oberholz, aber der ist nun im
Ruhestand. Im Moment suchen wir noch nach jemandem, dem wir unsere bibliophilen
Schätze anvertrauen können. Der Eigentümer der Sammlung ist da recht wählerisch.«
    Â»Besagter Felsenstein«, vermutete Karla und machte um den Namen in
ihrem Notizbuch einen Kringel. »Er hat die Sammlung nur zur Verfügung gestellt?
Ist es eine zeitlich begrenzte Leihgabe?«
    Â»Nein, Frau – äh – van Zomeren. Es ist eine Stiftung, die Bücher
gehören dem Museum. Aber der Stifter hat immer noch ein Mitspracherecht, was
seine Sammlung betrifft.«
    Raoul befragte die Kuratorin weiter zu dem toten Wachmann. Sie
erzählte, dass er mitten im Zimmer gelegen hatte, in einer Lache seines eigenen
Blutes, das aus klaffenden Wunden in Brust und Kehle geflossen sei.
    Â»Das muss sehr unangenehm für Sie gewesen sein«, sagte Raoul.
    Â»Ja, das war es«, erwiderte die Kuratorin.
    Karla runzelte die Stirn und notierte: »Leiche Wachmann (Rosko).
Bericht des Mediziners?« Sie hob den Kopf und fragte: »Befand er sich in seiner
menschlichen Gestalt?«
    Dr. Gernhardt

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