Last days on Earth
Halle gerettet hätte. Raoul
Winter. Dunkelmagus. Daimonenbändiger. Er verkörperte alles, was sie fürchtete
und verachtete.
Karla fühlte sich elend. Sie hätte Faustinas Angebot annehmen
sollen, sich von ihrem Princeps heilen zu lassen. Aber da hatte sie ja noch
gehofft, dass Kit â¦
Sie zwang sich, die geballten Fäuste zu entspannen. Kit. Er hatte
sie in diese Situation gebracht. Wie konnte er einfach verschwinden?
Ihre Gedanken zerflossen und strudelten davon wie dünner, dunkler
Schlamm. Sie war unfähig, sich zu konzentrieren. Ihr Kopf war heià und dröhnte
im Rhythmus ihres Herzschlags. Jemand musste kommen und sie von all diesem
Druck, von diesen unglaublichen Blutmengen erlösen, die sie produzierte. Sie
würde platzen, wenn das nicht bald geschah. Ihre Adern würden bersten, das Blut
würde aus all ihren Poren treten und die Zelle überschwemmen, in der sie
hockte.
Rötliche Schleier senkten sich über ihre Augen. Karla seufzte und
verlor das Bewusstsein.
»Magistra van Zomeren. Magistra. Frau van Zomeren.« Die
beharrliche, geduldige Stimme drang schlieÃlich durch die schwere Decke ihrer
Fieberträume. Sie blickte in das Gesicht einer Frau, deren Name ihr nicht
einfallen wollte.
»Der Arzt ist da«, sagte die Frau und lieà einen älteren, reserviert
dreinblickenden Mann eintreten. Er stellte seine Tasche auf den Boden.
»Dr. Herking«, sagte er. »Ich möchte Ihren Puls messen. Und zeigen Sie mir
bitte Ihre Zunge.«
Karla lieà die Untersuchung über sich ergehen. Er konnte nichts für
sie tun. Oder doch?
»Können Sie mir bitte Blut abnehmen?«, bat sie.
Der Arzt hob eine Braue. »Eine Blutuntersuchung? Ich weià nicht,
ob â¦Â«
»Keine Untersuchung. Abnehmen. Mindestens einen Liter.« Karla war zu
matt, um ihm etwas erklären zu können. »Vergessen Sieâs«, murmelte sie.
Der Arzt wiegte nachdenklich den Kopf. »Vielleicht wäre ein Aderlass
in Ihrem Fall gar keine schlechte Idee. Ihre Symptome sind eigenartig,
aber â¦Â«
Die Tür öffnete sich unvermittelt. Obermagister Korngold trat ein.
»Gehen Sie, Dr. Herking. Danke, dass Sie gekommen sind. Es hat sich
erledigt.«
Karla wandte den Kopf, um Korngold anzusehen. Wollte er, dass sie
hier in der Arrestzelle starb? Sie konnte ihre schwindenden Kräfte in jeder
ihrer vollkommen überlasteten Blutbahnen spüren.
»Ich muss doch bitten«, sagte der Arzt. »Meine Patientin braucht
dringend Hilfe. Sie scheint eine Infektion zu â¦Â«
»Danke!«, unterbrach ihn der Obermagister. Sein Blick streifte Karla
und glitt an ihr ab wie an etwas Widerlichem. »Frau van Zomeren ist soeben
unserer Obhut entzogen worden.«
Karla verfolgte betäubt, wie der Arzt seine Tasche packte und die
Zelle verlieÃ. Korngold mied ihren Blick. »Sie werden gleich abgeholt«, sagte
er eisig. »Halten Sie sich bereit! Und, Frau van Zomeren: Ich hoffe, dass wir
uns nie wieder begegnen!«
Wieder ging sie durch die Halle auf die breite Glastür zu. Sie
hatte in ihrer Zelle jedes Zeitgefühl verloren und war überrascht, dass es
dunkel war. Die groÃe Magistra, die sie begleitete, schwieg verbissen.
Vor der Halle stand ein schwarzer Mercedes. Als Karla ins Freie
trat, öffnete ein schwarz gekleideter junger Mann ihr den Schlag.
»Wohin �«, begann Karla, aber eine Stimme aus dem Wageninneren unterbrach
sie.
»Steigen Sie schon ein, mein Kind.«
Karla rutschte auf die dunkelrote Rückbank. »Faustina!« Sie
schluckte Tränen der Erleichterung hinunter. »Wie haben Sie es geschafft,
mich â¦Â«
»Schsch«, machte die Vampirin und nahm ihre Hand. Ihr Griff war
kühl, fest und besänftigend. »Strengen Sie sich jetzt nicht zu sehr an. Ich
bringe Sie zu jemandem, der Ihnen helfen wird.« Ihre dunklen Augen musterten
Karla mit deutlicher Besorgnis.
Die Fahrt dauerte beinahe eine halbe Stunde. Karla döste vor
sich hin, zu erschöpft, um sich mit Faustina zu unterhalten.
Dann knirschten die Räder des Wagens durch eine gekieste Einfahrt.
Er hielt vor einer eleganten Freitreppe, die zur Eingangstür einer Villa
emporführte. Als Karla ausstieg, hörte sie nur das Rauschen der groÃen, alten
Bäume und den Ruf eines Nachtvogels. Es war so still, als wären sie irgendwo
auf dem Land. Das Gelände, auf dem die Villa stand,
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