Last days on Earth
Aber
schlieÃlich hat sie nachgegeben und mir geholfen.«
»Warum?«
Er sah erstaunt aus. »Weil sie meinen Wunsch respektiert hat. Wäre
das bei euch WeiÃen Hexen nicht so gelaufen?«
Karla biss sich fest auf die Lippe. »Nein, es wäre so nicht
gelaufen. Wenn mein Ausbilder etwas für falsch gehalten hätte, hätte er mir den
Marsch geblasen, es mir verboten und fertig. Man muss junge Magiebegabte
schlieÃlich noch vor sich und ihren Fähigkeiten schützen.«
»Welpenschutz?« Raoul schüttelte verächtlich den Kopf. »Nein, das
sehen wir völlig anders. Jeder hat das Recht, seine Persönlichkeit auszuleben,
wie es ihm gefällt, und sich dabei auch Blessuren einzuhandeln. Niemand darf
dir vorschreiben, was du zu tun oder zu lassen hast â solange du nicht die
Rechte anderer verletzt.«
»Aber das wird doch ständig geschehen«, wandte sie ein. »Wie regelt
ihr solche Konflikte?«
»Schlimmstenfalls mit einem Duell.« Raoul grinste. »Ich hätte Tora
zum Zweikampf fordern müssen, wenn sie darauf bestanden hätte, sich meinen
Wünschen in den Weg zu stellen. Mein Glück, dass sie nachgegeben hat.«
Karla musterte ihn interessiert. Das Leben kehrte in seine Züge,
seinen Blick zurück. Er sah nicht mehr aus wie ein wandelnder Toter. Der Wilden
Jagd sei Dank â sie war mit Zombies, Ghulen und Wiederkehrern noch nie
besonders gut zurechtgekommen.
»Also darf ich noch ein paar Tage bleiben?«, fragte sie. »Ich könnte
zwar jederzeit wieder in die Villa ziehen, aber ehrlich gesagt â¦Â« Sie
schnitt eine Grimasse.
Raoul nickte schwermütig. »Du kannst bleiben, solange du willst. Ich
habe Platz genug.« Er räusperte sich verlegen. »Wo â hm â, wo hast du bisher
geschlafen?«
Karla benötigte einen Augenblick, bis sie verstand. Sie lachte. »Im
Gästezimmer.«
Die Erleichterung war ihm deutlich anzusehen. »Das Gästezimmer ist
nicht sehr komfortabel. Ich könnte dir die Dachwohnung anbieten. Die steht
schon seit über einem Jahr leer.« Er hob den Kopf und rief nach der Rechnung.
Karla verdaute diese Information. Natürlich gehörte das Haus ihm â
ein wunderbar restauriertes Bürgerhaus in bester Wohnlage. Verdammt, sie vergaÃ
immer mehr, dass er ein arroganter, stinkreicher und höchst vornehmer feiner
Pinkel war, der auf eine arme, arbeitslose WeiÃe He⦠Karla stöhnte leise auf
und vergrub das Gesicht in den Händen.
»Was ist?«, fragte Raoul. Er beugte sich zu ihr und berührte sacht
ihren Handrücken mit den Fingerspitzen. »Hast du Schmerzen?«
Karla bemühte sich um ein Lächeln. »Manchmal tut es weh, ja. Ich
kann meine Kräfte nicht mehr abrufen. Der Rat hat mich gesperrt.«
Er sah sie fragend an, aber Karla hatte keine Energie mehr, ihm etwas
zu erklären. Sie legte den Kopf an die Stuhllehne und schloss die Augen.
»Ich telefoniere noch eben und verabschiede mich von Faustina«,
hörte sie Raoul sagen, nachdem er eine Weile mitfühlend geschwiegen hatte.
»Geh nur. Ich ruhe mich ein wenig aus«, erwiderte sie, ohne die
Augen zu öffnen. Sie hörte, wie er den Stuhl zurückschob und seine Schritte
sich entfernten. Es war so schön still. Sie waren die letzten Gäste, Nevio
schloss gerade die Tür ab. In der Küche schepperte Geschirr, aber die Tür
dämpfte die Geräusche. Sitzen, nicht denken, nur der Stille lauschen. Wie schön
das war.
Â
12. 19. 19. 10. 17.
Raoul hockte auf der Tischkante und sah zu, wie Faustina
ihre Messer schärfte. Das singende Geräusch des Wetzstahls hatte etwas
Beruhigendes.
»Du siehst schrecklich aus«, sagte die Vampirin und musterte ihn
streng. »Raoul, solltest du nicht besser darüber nachdenken, wie du diesen
Demonio loswirst?«
Er schüttelte sacht den Kopf. »Ich kann ihn nicht loswerden. Und ich
will es nicht.« Er legte die Hände um sein Knie. »Tina, was ist mit Karla?
Kannst du ihr nicht helfen?«
Faustina griff zum nächsten Messer. »Nein«, sagte sie. »Karlas
körperliche Veränderungen können wir nicht rückgängig machen. Sie will aber um
keinen Preis zu uns gehören. Dieses Dilemma kann niemand für sie lösen.« Sie
legte das Messer beiseite und wischte ihre Hände an einem Tuch ab. »Wenn du ihr
helfen willst, Raoul, dann
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