Last Exit
»Sie hat angerufen. Susan. Sie hat Jane erzählt, dass ihr die CIA Fragen stellen will, und da ist Jane in Panik ausgebrochen. Richtig unheimlich. Sie
wollte unbedingt weg. Sofort. Ich hab gefragt, warum. Sie hat nur wirres Zeug geredet. Dann hat sie es zugegeben. Dass sie für die andere Seite arbeitet. Für … das klingt wirklich lächerlich. Für die Chinesen. Schon seit Jahren hat sie für sie gearbeitet.«
»Hat sie gesagt, warum?«
Endlich schaute ihn Pearson an. »Ihre Verwandten. Sie wollte sie schützen. Wissen Sie, was das heißt?«
Milo schwieg.
»Sie hat mir gestanden – und dazwischen immer wieder geschluchzt, wie leid es ihr tut –, dass sie die Informationen benutzt hat, die sie von mir hatte. Ich meine, Jane und ich, wir haben über alles miteinander geredet. Einfach alles.«
»Erzählen Sie mir, was dann passiert ist.«
»Na ja, ich war wütend, das können Sie sich bestimmt vorstellen.«
»Klar.«
»Ich wollte nicht mehr mit ihr sprechen und bin raus.«
»Nach draußen?«
»Nein, ins Schlafzimmer. Sie war im Wohnzimmer, ich bin rüber ins Schlafzimmer und hab die Tür zugeknallt. Und das …« Er verstummte. »Das waren meine letzten Worte an sie, voller Zorn. Mein Gott.«
»Weiter.«
Er nahm die Hände vom Tisch und legte sie in den Schoß. Es wirkte, als wäre ihm kalt, obwohl sein Gesicht vor Schweiß glänzte. »Nach einer Weile … zehn, fünfzehn Minuten, ich weiß es nicht. Jedenfalls bin ich wieder nach drüben. Und da war sie auf der Couch. Das Fenster stand offen, es war kalt im Zimmer. Und sie war tot.«
»Sie haben nichts gehört?«
Pearson schüttelte den Kopf. »Der Fernseher lief. Nein, ich hab keine Schüsse gehört.« Er runzelte die Stirn, als wäre ihm etwas eingefallen. »Meinen Sie, die haben einen Schalldämpfer benutzt?«
Milo starrte auf Pearsons Mundwinkel, der unbeherrscht zuckte.
»Was ist dann passiert?«
»Ich bin abgehauen. Blöd von mir, sicher. Aber ich dachte … ich dachte, die wissen nicht, dass ich nebenan war. Und dass ich auch dran bin, wenn sie es rausfinden. Als möglicher Zeuge oder so. Ich wollte nur weg, so schnell es ging.«
»Warum nach Montreal?«
»Warum nicht?« Er schüttelte den Kopf. »Es war einfach der nächste Auslandsflug, den hab ich genommen.« Er verzog das Gesicht. »Bin ich verhaftet, weil ich weggerannt bin?«
Milo stand auf. »Möchten Sie was? Einen Kaffee vielleicht? «
»Alkohol«, antwortete Pearson. »Irgendwas zur Beruhigung. «
»Ich sehe, was ich machen kann.« Milo verließ das Zimmer.
In dem halbdunklen Vorraum hing Irwin zusammengesunken auf einem Bürostuhl, während Jones und Drummond mit verschränkten Armen am Fenster standen. Sie hatten über Lautsprecher mitgehört.
»Wasserdicht«, meinte Leticia Jones. »Seine Geschichte, meine ich.«
»Finden Sie?« Milo beobachtete, wie sich Pearson wieder seinen Fingernägeln zuwandte. »Mir will bloß nicht in den Kopf, wie das so schnell gegangen sein soll. Vielleicht hatten sie einen Killer in der Gegend. Aber die
Entscheidung? Die muss Zhu persönlich getroffen haben. Und es ist … wie spät ist es in Peking?«
»Ein Uhr mittags«, antwortete Jones.
»Sie ruft also an. Nicht Zhu direkt, sondern ihren Führungsoffizier. Alarmiert ihn. Der Führungsoffizier setzt sich mit Zhu in Verbindung. Zhu kommt zu seiner Entscheidung, gibt sie wieder an den Führungsoffizier weiter, der den Killer verständigt. Der Killer klettert durchs Fenster in die Wohnung und tötet sie. Das Ganze in zwanzig, höchstens dreißig Minuten? Wirklich effizient, das muss ich zugeben.«
Pearson war jetzt bei seiner Armbanduhr angelangt, die er abnahm, um sie zu inspizieren.
»Der Fernseher war aus.« Das Gesicht weiß und alt, starrte Irwin durch sie hindurch. »Er hat den Fernseher ausgemacht, nachdem er ihre Leiche entdeckt hatte.«
Eine Weile blieben alle stumm. Das war nur ein kleines Detail, doch es erinnerte Milo an etwas anderes. »Und er hat nichts davon gesagt, dass Chan jemand angerufen hat. Susan hat mit ihr telefoniert, sie haben gestritten, und er ist rausgestürmt. Fünfzehn Minuten später ist sie tot. Wann hat sie ihren Führungsoffizier informiert?«
Irwin klang wie ein Reifen, aus dem langsam die Luft entwich. »Gottverdammt.«
11
Es hatte keinen Zweck, ihm auf die Nase zu binden, was sie wussten, also log Milo einfach, nachdem er wieder eingetreten war. »Wir haben gerade von unseren Leuten gehört – Ihre Fingerabdrücke sind überall auf den
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