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Last Exit

Last Exit

Titel: Last Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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wollte.
    Seine Stimme klang, als wäre er seit einer Woche wach. »Ich hab keine Zeit für deinen Quatsch, Radovan. Komm zur Sache.«
    »Ich hab Informationen. Machen wir einen Deal.«
    »Was für Informationen?«
    »Die Sorte, für die du eine Beförderung kriegst. Wenn du mich gehen lässt, erfährst du alles.«
    »Willst du mir verraten, wer den Angriff auf die amerikanische Botschaft organisiert hat?« Pavle grinste. »Für so was krieg ich keine Beförderung. Höchstens eine Kugel in den Kopf.«

    »Hat nichts damit zu tun. Auch nichts mit Belgrad. Niemand kriegt Scherereien außer ein paar Ausländern.« Er hielt inne. »Vor allem ein Amerikaner.«
    Pavle atmete Rauch aus und legte kurz darauf seine Marlboros zurück auf den Tisch. Radovan nahm sich eine und wartete, bis Pavle sie ihm angezündet hatte. »Schieß los«, meinte der Bulle.
    »Also abgemacht? Ich muss raus. Familienangelegenheiten. «
    »Wenn es so gut ist, wie du sagst, dann ja.«
    »Es ist so gut, Pavle. Glaub mir.«

7
    Am Morgen bekam sie eine E-Mail mit hoher Priorität, in der sie gebeten wurde, um zehn Uhr zu einer Besprechung im Konferenzzimmer S im ersten Stock zu erscheinen. Die Mail stammte von Teddy Wertmüllers Sekretärin.
    In den ersten Stock setzte Erika nur selten einen Fuß. Meistens hielt sie sich in ihrem Büro im Erdgeschoss auf, und wenn die Direktoren der verschiedenen Abteilungen mit ihr sprechen wollten, kamen sie zu ihr. Diese stillschweigende Vereinbarung bestand schon seit langem, denn in der oberen Etage lagerten die französischen Weine und die zehn Jahre alten Single Malt Whiskeys für bedeutende Nachrichtendienstbeamte, die sich mit politischen Weisungen und ernsten Entscheidungen befassten. Diese Leute waren so wichtig, dass man ihnen das Essen bringen und die Getränke einschenken musste; an so einem Ort hatte Erika Schwartz nichts verloren.
    Aber sie war nicht nur in den ersten Stock, sondern auch in das renommierteste und umstrittenste Konferenzzimmer geladen worden. Vor zwei Jahren hatte jede Abteilung einen Beitrag für die Renovierung von Raum S leisten müssen. Sie zahlten für die spanischen Ledersitzmöbel, die italienischen Wandschränke, den langen Tisch aus finnischer Eiche, der mit eigenen Notebooks und Kameras für Telekonferenzen ausgestattet war, und den riesigen
Plasmafernseher an einer Seite des Zimmers. Am anderen Ende blickten Fenster mit automatischen Jalousien auf das Gelände. Bei dem unvermeidlichen Streit über die Finanzierung dieser Monstrosität stellte sich schließlich der wahre Zweck von Raum S heraus: Die Amerikaner sollten damit beeindruckt werden. Das war natürlich vor dem afghanischen Heroinskandal der CIA, nach dem die meisten gemeinsamen Operationen beendet wurden. Im vergangenen Jahr war der Raum dennoch fertiggestellt worden, aber seither hatte ihn kein einziger Amerikaner betreten. Auch Erika nicht.
    Dabei war die Sache noch paradoxer: Raum S war ohnehin nur eine Überbrückungslösung, da der Nachrichtendienst nach jüngsten Schätzungen spätestens 2011 nach Berlin übersiedeln sollte. Auch wenn es noch mindestens drei Jahre bis zu diesem Umzug waren, lief das Gefeilsche und Gezänk um die besten Büros schon, seit Gerhard Schröders Sicherheitskabinett vor fünf Jahren die Verlegung des BND in die Haupstadt beschlossen hatte. Auch bei dieser Debatte war Erika übergangen worden.
    Als sie sich gerade innerlich auf den Besuch oben vorbereitete und sich mit unbegründeten Spekulationen herumschlug, die immer wieder schuldbewusst um die zwei leeren Weinflaschen vom Freitagabend kreisten, schlenderte Oskar herein, dessen Auge immer noch ziemlich schlimm aussah. »Was Neues von der Gesichtserkennung ?«, fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich kann mal nach unten rufen.«
    »Machen Sie sie nicht nervös.« Sie zog sich an der Schreibtischkante hoch und versuchte es mit ein paar Schritten. Nach dem Wochenende brannten ihr die Füße,
und verzagt überlegte sie, ob sie sich bald einen Stock kaufen musste. Das würde ihr wirklich den Rest geben.
    Allein stapfte sie zum Aufzug. Oben im ersten Stock flitzten junge Assistenten mit Mappen und wichtigen Missionen an ihr vorbei. Zimmer S zu ihrer Rechten war abgeschlossen, doch durch die Jalousie erspähte sie vier Menschen, die um einen Hektar Eiche gruppiert waren. Die Notebooks hatte man weggepackt.
    Ihr wurde mulmig zumute. Am Kopf der Tafel standen Birgit Deutsch und Franz Teufel. Sie tranken Kaffee aus Porzellantassen und

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