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Last Exit

Last Exit

Titel: Last Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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Händen; die neuen Plastikfesseln waren aus der Distanz nicht zu erkennen.
    Es wurden keine Schusswaffen verwendet, nur eine leichte, fast behagliche Hand auf dem Rücken, während der kleine Mann mit dem Schnurrbart, der offenbar der Chef war, vor sich hin summte. Er war es, der die Eingangstür aufschloss, den Sicherheitscode in die Alarmanlage tippte und ein Handy einsteckte, das auf einem fragilen Tischchen neben der Tür lag. »Kommen Sie rein. Gleich sind Sie die lästigen Bänder los.«
    Es war alles so höflich, dass Milo der Schweiß ausbrach.
    Sie stiegen ein paar Stufen hinunter, wo der Mann Licht machte und neben einem kleinen Bad auf eine schwere Sicherheitstür mit Tastenfeld zusteuerte. Mit flacher Hand tippte er die Kombination ein, so dass die Finger alles verdeckten, dann zog er die Tür auf, hinter der eine Treppe tiefer nach unten führte.
    Vor zwei Jahrzehnten hätte man vielleicht von einem Atombunker gesprochen. Aber die Zeiten hatten sich geändert, und heute bezeichnete man so etwas als Schutzraum. Die Funktion war dabei die gleiche. Ein sicherer
Ort, an dem man mehrere Tage oder Wochen ohne Kontakt zur Außenwelt überleben konnte. An den Wänden befanden sich Regale mit Vorräten: Lebensmittelkonserven, Seife, Wasser in Flaschen. Neben einem Stromgenerator ein Kühlschrank. Ein Propangasherd. Ein Fernseher mit Videorekorder, ein Radio, ein Bücherregal. Zwei im Moment schwarze Monitore waren vermutlich mit Kameras verbunden, die das Gelände überwachten. Zwei Sessel, ein Sofa, ein Esstisch. An der Steinwand am hinteren Ende des Raums eine Liege mit frischem Bettzeug. Auf dem Betonboden daneben lagen zwei Rollen Klebeband.
    Der Schnurrbart inspizierte ein paar der Suppendosen, während die anderen zwei Milo die Handfesseln und die Jacke abnahmen. »Sie wollten pinkeln?«
    »Dringend.«
    Der Mann deutete mit dem Kinn auf eine kleine Tür, und die zwei Helfer führten Milo hinüber. Drinnen gab es eine makellos saubere Toilette, wenn auch kein Waschbecken. Der Raum war klein, aber beide Aufpasser zwängten sich hinter ihm hinein. Während er sich erleichterte, spähten sie ihm über die Schulter und hielten ihn von hinten fest. Er betätigte die Spülung und hob die Hände. »Kann ich mich waschen?«
    Keine Antwort. Sie zogen ihn hinaus und brachten ihn zu einem der Sessel. Der Schnurrbart, der immer noch Büchsenetiketten studierte, fragte: »Haben Sie vielleicht Hunger?«
    »Einen Kaffee könnte ich vertragen.«
    »Ja, ich auch. Heinrich, willst du auch einen?«
    Das Muskelpaket blickte auf. »Ja, danke.«
    Der Schnurrbart wandte sich dem Drahtigen zu. »Dann also für alle?«
    Der Angesprochene nickte und trabte die Treppe hinauf.
    Milo fand diesen Wortwechsel erheiternd, doch der Rest war weniger amüsant. Er befand sich in einem gesicherten Kellerraum, den er nur mit ihrem Einverständnis lebend verlassen würde. Sie konnten ihn hier festhalten, solange sie wollten, und alles mit ihm anstellen, wonach ihnen der Sinn stand. Niemand würde etwas hören.
    Heinrich setzte sich in den Sessel gegenüber von Milo. Plötzlich klingelte ein Telefon. Der Schnurrbart zog das Handy heraus, das er im Flur eingesteckt hatte, und meldete sich. »Toledo Elektrik.«
    Der folgenden Unterhaltung entnahm er den Namen Schwartz, dass irgendetwas eine Stunde dauern und eine Rechnung per Mail geschickt werden sollte. Und dass am anderen Ende der Leitung offenbar eine Frau war.
    Er schob das Handy in die Tasche und wandte sich an Heinrich. »Alles in Ordnung.«
    Heinrich wirkte erleichtert, doch der Schnurrbart blieb ungerührt. Mit Milos gefalteter Jacke über dem Arm schritt er langsam auf und ab und schaute sich alles an, als wäre er noch nie hier gewesen. Vielleicht war das tatsächlich der Fall. Mit der freien Hand durchsuchte er Milos Sakko und förderte Quittungen und Fusseln zutage. Nachdem er die Quittungen in seine Hosentasche gestopft hatte, warf er die Jacke aufs Bett. »Machen Sie es sich bequem«, meinte er schließlich. »Es dauert noch ein paar Stunden, bis es losgeht.«
    »Und was genau wird losgehen?«
    »Gespräche.«
    »Wenn Ihr Chef von der Arbeit nach Hause kommt?«
    Der Mann starrte ihn an.
    »Das ist sein Haus, stimmt’s? Oder besser ihr Haus. Es gehört Ihrer Chefin.«
    »Für Sie ist momentan nur interessant, dass das jetzt
der leichte Teil ist. Trinken Sie Ihren Kaffee, essen Sie was. Und das Kopfweh … spüren Sie es noch?«
    »Ein bisschen.«
    »Heinrich.«
    Heinrich erhob sich

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