Last Lecture - die Lehren meines Lebens
Wolff seine trostlose Pflicht erfüllte. Er setzte sich neben Jai und beruhigte sie. Leise erklärte er ihr, dass es nun keine lebensrettende Behandlung mehr gebe. »Was wir versuchen werden«, sagte er, »ist, die Zeit zu verlängern, die Randy noch bleibt, und ihm die bestmögliche Lebensqualität zu ermöglichen. Denn wie die Dinge jetzt stehen, hat ihm die medizinische Wissenschaft nichts mehr anzubieten, das ihn über eine normale Lebensspanne hinweg am Leben erhalten könnte.«
»Moment, Moment, Moment«, sagte Jai. »Sie wollen mir erklären, das war’s? Einfach so? Wir sind von ›das werden wir bekämpfen‹ zum ›die Schlacht ist verloren‹ übergegangen? Was ist mit einer Lebertransplantation?«
»Nein«, erwiderte der Arzt, »wenn Metastasen aufgetreten sind, nicht mehr.« Er sprach von der Möglichkeit einer palliativen Chemo - eine Behandlung, die nicht mehr heilt, aber die Symptome abschwächen kann und mir vielleicht ein paar Monate erkaufen würde - und davon, Mittel und Wege zu finden, mir zu einem so angenehmen und aktiven Leben wie nur möglich zu verhelfen, bis das Ende naht.
Für mich war dieses ganze grauenvolle Gespräch surreal.
Ja, ich war wie betäubt und fühlte mich hilflos, meinetwegen und vor allem wegen Jai, die nicht aufhören konnte zu weinen. Doch ein kraftvoller Teil von mir war im Randy-Wissenschaftsmodus geblieben, sammelte Fakten und befragte den Arzt nach Optionen, während ein wieder anderer Teil von mir voll und ganz mit dem augenblicklichen Geschehen auf diesem Schauplatz beschäftigt war. Ich war geradezu vor Ehrfurcht erstarrt über die Art, wie Dr. Wolff Jai die Nachricht vermittelte. Ich dachte bei mir: »Sieh mal, wie er das macht. Er hat es offensichtlich schon oft gemacht und ist gut darin. Er hat es in allen Einzelheiten geprobt, trotzdem wirkt es so von Herzen kommend und spontan.«
Ich registrierte, wie sich der Arzt tief in seinen Sessel zurücklehnte und die Augen schloss, bevor er eine Frage beantwortete, so als würde ihm das helfen, konzentrierter nachzudenken. Ich betrachtete seine Haltung, seine Körpersprache und die Art, wie er neben Jai saß. Fast schien es mir, als hätte ich mit all dem nichts zu tun. Ich dachte nur: »Er legt seinen Arm nicht um sie. Das verstehe ich. Es wäre zu anmaßend. Aber er beugt sich zu ihr, legt ihr die Hand aufs Knie. Boy, ist der gut!«
Ich wünschte, jeder Medizinstudent, der die Onkologie in Betracht zieht, könnte sehen, was ich dort sah. Ich beobachtete, wie sich Dr. Wolff einer Semantik bediente, mit der er den Dingen wo immer möglich eine positive Wendung geben konnte. Wenn wir fragten: »Wie lange noch?«, antwortete er: »Sie haben wahrscheinlich noch drei bis sechs Monate bei guter Gesundheit.« Das erinnerte mich an meine Zeit bei Disney. Wenn ein Angestellter von Disney World gefragt wird: »Wann schließt der Park?«, dann soll er zur Antwort geben: »Der Park ist bis zwanzig Uhr geöffnet.«
In gewisser Weise empfand ich eine seltsame Erleichterung. Zu viele angespannte Monate lang hatten Jai und ich damit verbracht, abzuwarten und zu sehen, ob, und falls ja, wann die Tumore zurückkehren würden. Jetzt waren sie da, eine ganze Armee von ihnen. Das Warten war vorbei. Jetzt konnten wir weitermachen und uns um das kümmern, was als Nächstes drankam.
Am Ende des Gesprächs umarmte der Arzt Jai und schüttelte mir die Hand. Wir gingen hinaus in unsere neue Wirklichkeit.
Als wir das Sprechzimmer verließen, musste ich daran denken, was ich Jai noch im Taumel der Speed-Rutsche von Water World gesagt hatte: »Selbst wenn die CT-Ergebnisse morgen schlecht sein sollten, will ich nur, dass du weißt, wie großartig es sich anfühlt, am Leben zu sein und heute hier zu sein, lebendig und mit dir. Welche Nachricht wir auch bekommen werden, ich werde nicht sterben, wenn wir sie hören. Ich werde auch am nächsten Tag nicht sterben oder am Tag danach oder am Tag danach. Heute jedenfalls, genau jetzt, also das ist ein wundervoller Tag. Und ich will, dass du weißt, wie sehr ich ihn genieße.«
Daran dachte ich, und an Jais Lächeln.
Ich hatte es also schon gewusst. Und damit würde ich den Rest meines Lebens leben müssen.
13
Der Mann im Cabrio
Eines Morgens, eine gute Weile nachdem der Krebs festgestellt worden war, erhielt ich eine E-Mail von Robbee Kosak, der Vizepräsidentin für Förderungen an der Carnegie Mellon University. Sie erzählte mir eine Geschichte.
Am Abend zuvor war sie von der Uni nach
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