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Last Lecture - die Lehren meines Lebens

Last Lecture - die Lehren meines Lebens

Titel: Last Lecture - die Lehren meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Pausch
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komplizierte Verfahren in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts erfunden hat. Noch in den Siebzigerjahren starben fünfundzwanzig Prozent aller Patienten bei dieser Operation. Im Jahr 2000 starben nur noch fünf Prozent dabei unterm Messer, vorausgesetzt natürlich, man wurde von erfahrenen Spezialisten operiert. Trotzdem war mir bewusst, dass ich eine schlimme Zeit vor mir haben würde, vor allem, da sich dieser Operation eine extrem giftige Chemotherapie und hohe Bestrahlungen anschlossen.
    Bei der Operation entfernte Dr. Zeh nicht nur den Tumor, sondern auch die Gallenblase, ein Drittel meiner Bauchspeicheldrüse und eine Menge vom Dünndarm.
Nachdem ich mich davon einigermaßen erholt hatte, lag ich zwei Monate im MD Anderson Cancer Center in Houston, um diese mächtigen Chemodosen und täglichen hohen Bestrahlungen meines Abdomens über mich ergehen zu lassen. Ich magerte von einundneunzig auf neunundsechzig Kilo ab. Am Ende konnte ich kaum noch laufen. Im Januar durfte ich nach Pittsburgh zurück. Meine CT-Scans zeigten keinen Krebs mehr. Allmählich kam ich wieder zu Kräften.
    Im August war meine vierteljährliche Kontrolluntersuchung im MD Anderson fällig. Jai und ich flogen zu dem Termin nach Houston. Die Kinder hatten wir mit einem Babysitter zu Hause gelassen. Wir behandelten diese Reise wie einen romantischen Ausflug. Am Tag vor dem Termin gingen wir sogar in die gigantische Water World - meine Vorstellung von einem romantischen Beisammensein! Als ich die Speed-Rutsche hinabdüste, musste ich von Anfang bis Ende grinsen.
    Am 15. August 2007, einem Mittwoch, trafen wir im MD Anderson ein, um die Ergebnisse der letzten Computertomografie mit meinem Onkologen Robert Wolff zu besprechen. Wir wurden in einen Untersuchungsraum gebracht, wo eine Schwester ein paar Routinefragen stellte. »Irgendwelche Gewichtsveränderungen, Randy? Nehmen Sie noch immer dieselben Medikamente?« Jai war die fröhliche Singsangstimme der Schwester aufgefallen und wie vergnügt sie gesagt hatte: »Okay, der Doktor wird gleich bei Ihnen sein«, als sie die Tür hinter sich schloss.
    Im Untersuchungszimmer stand ein Computer, und ich bemerkte, dass sich die Schwester nicht ausgeloggt hatte und meine medizinischen Daten noch auf dem Bildschirm waren. Natürlich hätte ich mir auch so zu helfen gewusst,
aber in diesem Fall brauchte ich nicht einmal zu hacken. Meine gesamte Patientenakte war offen zugänglich.
    »Sollen wir mal nachsehen?«, fragte ich Jai. Ich hatte nicht die geringsten Bedenken, immerhin waren es ja meine Unterlagen.
    Ich klickte ein bisschen herum und fand den Bericht über meine Blutwerte. Alle möglichen Werte standen da, dreißig an der Zahl, aber ich wusste, nach welchem ich suchen musste: nach dem Tumormarker CA 19-9. Ich fand ihn und sah eine grauenvolle Zahl vor mir: 208. Der Normwert liegt unter 37. Ich betrachtete ihn mir nur eine Sekunde lang.
    »Es ist vorbei«, sagte ich zu Jai. »Ich bin erledigt.«
    »Was soll das heißen?«, fragte sie.
    Ich nannte ihr den CA-19-9-Wert. Sie hatte sich ausreichend über Krebs informiert, um zu wissen, was die Zahl 208 bedeutete: Metastasen, ein Todesurteil. »Das ist nicht komisch«, sagte sie, »hör auf, herumzualbern.«
    Ich holte mir meine CT-Scans auf den Bildschirm und begann zu zählen: »Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs …«
    Jais Stimme war die Panik anzuhören. »Sag mir nicht, dass du Tumore zählst!« Ich konnte nicht an mich halten und zählte laut weiter: »Sieben, acht, neun, zehn …« Ich sah es mit eigenen Augen. Der Krebs hatte in die Leber metastasiert.
    Jai kam zum Computer rüber und sah es selbst deutlich vor sich. Wir fielen uns in die Arme und weinten. Im selben Moment bemerkte ich, dass es nirgends Papiertücher im Zimmer gab. Ich hatte gerade erfahren, dass ich bald sterben würde, und war so unfähig, rational fokussiert zu denken, dass mir nur einfiel: »Sollte in einem Zimmer wie diesem zu einer Zeit wie dieser nicht eine Kleenex-Box stehen?
Wow, das nenne ich mal wirklich einen eklatanten Betriebsfehler.«
    Es klopfte an der Tür. Dr. Wolff kam herein, einen Ordner in der Hand. Er blickte von Jai zu mir, dann zu den CT-Scans auf dem Bildschirm und begriff, was gerade geschehen war. Ich beschloss, ihm zuvorzukommen. »Wir wissen es«, sagte ich.
    An diesem Punkt befand sich Jai in einer Art Schockzustand und weinte hysterisch. Ich war auch traurig, natürlich, doch zugleich war ich fasziniert von der Art und Weise, wie Dr.

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