Last Lecture - die Lehren meines Lebens
für mein Leben völlig aus.
30
Die weiße Fahne schwenken
Meine Mutter nannte mich immer »Randolph«.
Sie wuchs zu Zeiten der Depression auf einer kleinen Milchfarm in Virginia auf und musste sich ständig fragen, ob genug fürs Abendessen da sein würde. Für »Randolph« hatte sie sich entschieden, weil sich das nach einem Namen anhörte, den ein eleganter, wohlhabender Herr aus Virginia tragen könnte. Wahrscheinlich habe ich ihn deshalb immer abgelehnt und gehasst. Wer will schon so einen Namen?
Trotzdem blieb meine Mutter stur dabei. In meiner Teenagerzeit stellte ich sie schließlich zur Rede: »Glaubst du wirklich, dein Recht, mir einen Namen zu geben, ersetzt mein Recht auf eine eigene Identität?«
»Ja, Randolph, das tue ich«, antwortete sie.
Na ja, wenigstens wussten wir nun, wo wir standen.
Als ich dann aufs College kam, hatte ich genug. Sie schickte mir Briefe an »Randolph Pausch«, und ich kritzelte »Person unter dieser Adresse unbekannt« auf die Umschläge und schickte sie ungeöffnet zurück.
Mit einer grandiosen Geste der Kompromissbereitschaft
begann meine Mom ihre Briefe an »R. Pausch« zu adressieren. Die habe ich geöffnet. Doch wenn wir telefonierten, griff sie wieder auf die alte Form zurück. »Randolph, hast du unseren Brief erhalten?«
Inzwischen habe ich es längst aufgegeben. Ich bin meiner Mutter an so vielen Fronten dankbar, dass ich mehr als bereit bin, es zu ertragen, wenn sie mich mit diesem unsäglichen »olph« belasten will, sobald sie um mich ist. Das Leben ist zu kurz.
Mom und ich am Strand
Im Laufe der Jahre, und angesichts der Deadlines, die das Leben auferlegt, erwies sich meine Kapitulation als das einzig Richtige.
31
Lass uns einen Deal machen
Während meiner Studentenzeit hatte ich mir angewöhnt, auf meinem Stuhl nach hinten zu kippen. Jedesmal, wenn ich meine Eltern besuchte und mit ihnen am Tisch saß, tadelte mich meine Mutter deshalb: »Randolph, du wirst diesen Stuhl kaputt machen!«
Ich kippte gerne auf dem Stuhl nach hinten. Das war bequem, außerdem schien mich der Stuhl ja auch bestens auf zwei Beinen zu tragen. Also lehnte ich mich bei jedem Essen wieder zurück und bekam wieder Schelte von meiner Mutter.
Eines Tages sagte sie: »Hör auf, mit diesem Stuhl zu schaukeln. Ich werde es dir nicht noch einmal sagen!«
Na, das klang doch ganz nach meinem Geschmack. Ich schlug ihr vor, einen Vertrag zu schließen - einen schriftlichen Eltern-Kind-Kontrakt. Falls ich den Stuhl kaputt machen würde, müsste ich nicht nur diesen einen ersetzen, sondern zur Strafe gleich den ganzen Satz Esstischstühle (einen passenden Stuhl zu einem Satz zu finden, der zwanzig Jahre alt war, wäre ohnedies unmöglich gewesen). Bis dahin dürfte Mom mir keine Vorträge mehr halten.
Natürlich hatte meine Mutter recht, denn logischerweise belastete ich damit die beiden hinteren Stuhlbeine zu stark. Doch am Ende fanden wir beide, dass diese Vereinbarung eine Möglichkeit war, unseren ständigen Streit zu vermeiden. Ich erkannte meine Verantwortung für den Fall eines Schadens an, und sie würde im Falle eines Schadens
sagen können: »Hättest du mal lieber auf deine Mutter gehört.«
Der Stuhl ging nie kaputt. Und die Vereinbarung gilt bis heute. Wann immer ich meine Mutter besuche, beginne ich zu kippeln. Es fällt kein böses Wort, im Gegenteil, irgendwie hat sich die Dynamik verändert. Ich möchte zwar nicht gleich so weit gehen, zu behaupten, dass meine Mutter mich geradezu zum Kippeln ermuntere, aber ich bin mir sicher, dass sie schon seit Langem ein Auge auf einen Satz neuer Esstischstühle geworfen hat.
32
Beklage dich nicht, strenge dich einfach mehr an
Eine Menge Leute verbringen ihr Leben damit, über ihre Probleme zu klagen. Ich fand immer, wenn sie nur ein Zehntel der Energie, die sie fürs Klagen verbrauchen, der Lösung ihrer Probleme widmen würden, wären sie überrascht, wie schnell die Dinge eine gute Wendung nehmen können.
Ich habe ein paar grandiose Nichtkläger in meinem Leben kennengelernt. Einer davon war Sandy Blatt, mein Vermieter während meiner Studentenzeit. Als junger Mann war er von einem zurücksetzenden Lkw angefahren worden, als er gerade Kisten über die Kellertreppe in ein Haus tragen wollte. »Wie tief bist du gefallen?«, fragte ich, und er antwortete schlicht: »Tief genug.« Er war den Rest seines Lebens querschnittsgelähmt.
Sandy war ein großer Sportler gewesen und hatte sich kurz vor dem Unfall gerade verlobt. Da
Weitere Kostenlose Bücher