Last Lecture - die Lehren meines Lebens
frustrierende, einschläfernde Arbeit sein kann. Da kam ich auf die Idee, jedem Papier, das zur Begutachtung anstand, eine Schachtel Girl Scout Thin Mints beizulegen. »Danke für Deine Bereitschaft«, schrieb ich dazu. »Die beigefügten Thin Mints sind Deine Belohnung. Aber nicht drüber hermachen, bevor Du das Papier begutachtet hast.«
Das brachte die Leute zum Lächeln. Und ich brauchte sie nie anzurufen und ihnen auf die Nerven zu gehen. Sie hatten die Schachtel Thin Mints auf dem Schreibtisch und wussten, was sie zu tun hatten.
Klar, manchmal musste ich eine kurze Erinnerungsmail schicken. Doch auch da brauchte ich nur einen Satz zu schreiben: »Hast Du deine Thin Mints schon gegessen?«
Ich stellte also fest, dass Thin Mints nicht nur eine süße Belohnung für gut gemachte Arbeiten sind, sondern auch ein wunderbares Kommunikationsmittel.
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Du hast nur das, was du mitbringst
Ich hatte schon immer den Drang, mich auf alles vorzubereiten, was eine bestimmte Situation erfordern könnte. Wenn ich das Haus verlasse, überlege ich: »Was muss ich mitnehmen?« Wenn ich unterrichte: »Welchen Fragen kann ich zuvorkommen?« Wenn ich die Zukunft meiner Familie ohne mich vorbereite: »Welche Dokumente müssen parat liegen?«
Meine Mutter erinnert sich an eine Begebenheit. Ich war sieben Jahre alt, und sie hatte mich in einen Lebensmittelladen mitgenommen. Als sie mit mir schon an der Kasse stand, merkte sie, dass sie ein paar Sachen auf ihrer Liste vergessen hatte. Sie ließ mich mit dem Einkaufswagen stehen und rannte los, um sie schnell zu holen.
»Bin gleich zurück«, sagte sie.
Sie war erst ein paar Minuten weg, und ich hatte bereits alle Einkäufe auf das Transportband gelegt und eintippen lassen. Da stand ich nun und starrte die Kassiererin an, die mich anstarrte. Sie beschloss, sich über mich lustig zu machen. »Hast du Geld für mich, mein Sohn?«, fragte sie. »Du musst schon bezahlen!«
Ich begriff nicht, dass sie mich nur ein wenig necken wollte, und stand völlig erstarrt und beschämt da.
Als meine Mutter wiederkam, war ich wütend: »Du hast
mich hier ohne Geld stehen lassen! Die Dame fragte mich nach Geld, und ich konnte ihr keins geben!«
Heute, da ich erwachsen bin, wird man mich nie mit weniger als zweihundert Dollar in der Tasche antreffen. Ich will vorbereitet sein für den Fall, dass ich es brauche. Klar, ich könnte meine Brieftasche verlieren, oder man könnte sie mir stehlen. Doch für jemanden, der ein ziemlich gutes Einkommen hat, sind zweihundert Dollar das Risiko wert. Kein Bargeld zur Hand zu haben, wenn man es braucht, erscheint mir als ein wesentlich größeres Problem.
Leuten, die sich bis ins Detail vorbereiten, galt von jeher meine Bewunderung. Norman Meyrowitz war mit mir auf dem College. Als er einmal einen Vortrag halten musste, bei dem er einen Overheadprojektor einsetzte, ging mittendrin die Lampe des Projektors kaputt. Das Auditorium stöhnte hörbar auf. Jetzt würden wir mindestens zehn Minuten warten müssen, bis jemand einen anderen Projektor aufgetrieben hatte.
»Ist schon okay«, verkündete Norm, »nur keine Sorge.«
Wir beobachteten, wie er zu seinem Rucksack rüberging und etwas hervorkramte. Er hatte tatsächlich eine Ersatzbirne für den Projektor dabei! Wer von uns hätte je an so etwas gedacht?
Unser Professor Andy van Dam saß zufällig neben mir. Er lehnte sich zu mir rüber und sagte: »Der Typ wird es weit bringen!« Er hatte recht. Norm wurde Top Executive bei Macromedia Inc. Was er dort an Ideen einbrachte, hat sich auf jeden Menschen ausgewirkt, der heute das Internet nutzt.
Eine andere Möglichkeit, sich vorzubereiten, sind negative Gedanken.
Aber ich bin ein großer Optimist. Trotzdem versuche
ich vor einer Entscheidung oft, mir das Worst-case-Szenario vorzustellen. Ich nenne das den »Von-den-Wölfen-gefressen-werden«-Faktor. Wenn ich etwas zu tun plane, überlege ich, was mir dabei im schlimmsten Fall passieren könnte: Würden mich die Wölfe fressen?
Eine Möglichkeit, Optimist zu bleiben, sind Notfallpläne für den Fall, dass die Hölle ausbricht. Es gibt eine Menge Dinge, über die ich mir keine Sorgen mache, weil ich einen Notfallplan in der Tasche habe.
Ich sagte meinen Studenten oft: »Wenn ihr in die Wildnis rausgeht, ist das, was ihr mitgenommen habt, das Einzige, auf das ihr zählen könnt.« Und Wildnis ist letztlich überall, ausgenommen in deinem Heim und deinem Büro. Also nimm Geld mit. Pack dein Flickzeug ein. Achte
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