Last Lecture - die Lehren meines Lebens
auf die Wölfe. Nimm eine Glühbirne mit. Sei vorbereitet.
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Eine schlechte Entschuldigung ist schlimmer als keine Entschuldigung
Entschuldigungen haben mit »bestanden« oder »durchgefallen« nichts zu tun. Trotzdem habe ich meinen Studenten immer gesagt, wenn es um eine Entschuldigung geht, dann ist jeder Auftritt, für den sie kein glattes »A« bekommen würden, indiskutabel.
Halbherzige oder unaufrichtige Entschuldigungen sind oft schlimmer als gar keine Entschuldigung, weil der Betroffene das als eine Beleidigung empfindet. Wenn du im Umgang mit einer anderen Person etwas falsch gemacht hast, dann ist das wie ein Virus, das sich in eure Beziehung einschleicht.
Eine gute Entschuldigung wirkt wie ein Antibiotikum, eine schlechte, als hätte man Salz in die Wunde gestreut.
Die Arbeit in Gruppen war entscheidend in meinen Seminaren, deshalb waren Spannungen unter den Studenten unvermeidlich. Einige drückten sich vor ihrem Teil der Arbeit, andere waren dermaßen von sich überzeugt, dass sie ihre Teampartner automatisch herabsetzten. Zur Halbzeit eines Semesters waren Entschuldigungen an der Tagesordnung. Und wer sich nicht entschuldigte, der konnte ein ganzes Projekt aus den Angeln heben. Also konfrontierte ich meine Studenten immer wieder einmal mit meiner kleinen Entschuldigungsroutine.
Zuerst einmal beschrieb ich die beiden Klassiker unter den schlechten Entschuldigungen:
1. »Tut mir leid, dass du dich gekränkt fühlst, aber was habe ich eigentlich getan?« (Das ist ein emotionaler Rettungsversuch, während es zugleich offensichtlich ist, dass du keine Lust hast, die Wunde zu verarzten.)
2. »Ich entschuldige mich für das, was ich getan habe, aber du musst dich auch bei mir für das entschuldigen, was du getan hast.« (Das ist keine Entschuldigung, das ist die Einforderung einer Entschuldigung.)
Angemessene Entschuldigungen setzen sich aus drei Elementen zusammen:
1. Was ich getan habe, war falsch.
2. Ich fühle mich schlecht, weil ich dich verletzt habe.
3. Wie kann ich das wiedergutmachen?
Ja, manche Leute werden ihren Vorteil aus Punkt drei ziehen. Aber die meisten werden wirklich dankbar sein für dein Bemühen, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Sie werden dich beim Wort nehmen und dir eine überschaubare, leichte Möglichkeit dafür anbieten. Und oft werden
sie daraufhin selbst versuchen, härter zu arbeiten, um einen eigenen Beitrag zur Entspannung der Lage zu leisten.
Bei Fällen, in denen beide Parteien etwas falsch gemacht haben, pflegten mich die Studenten zu fragen: »Was, wenn ich mich entschuldige, und die andere Person entschuldigt sich nicht bei mir?« Dann erklärte ich ihnen: »Darauf habt ihr keinen Einfluss, also lasst es nicht an euch nagen.«
Wenn euch jemand eine Entschuldigung schuldig bleibt, obwohl ihr euch auf eine angemessene, von Herzen kommende Weise bei ihm entschuldigt habt, kann es geschehen, dass ihr eine ganze Weile nichts von ihm hört. Überlegt doch einmal: Wie gut stehen die Chancen, dass der andere in genau demselben Moment, in dem ihr euch bei ihm entschuldigt habt, die Gefühlslage erreicht hat, die eine Entschuldigung möglich macht? Seid einfach geduldig. Häufig habe ich es erlebt, dass sich ein Student bei seinem Team entschuldigte, das Team selbst aber erst Tage später bereit war, auf ihn zuzugehen. Deine Geduld wird dir gedankt und gelohnt werden.
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Sag die Wahrheit
Wenn ich einen Rat geben müsste, der nur aus drei Wörtern bestehen dürfte, würde er lauten: »Sag die Wahrheit.« Wenn es ein längerer Satz sein dürfte, würde ich hinzufügen: »Und zwar immer.« Meine Eltern lehrten mich: »Du bist nur so gut wie dein Wort.« Es gibt keine bessere Möglichkeit, das auszudrücken.
Aufrichtigkeit ist nicht nur moralisch richtig, sie ist auch effizient. In einer Kultur, in der jeder die Wahrheit sagen würde, könnte man eine Menge Zeit sparen, weil man nicht ständig alles nachprüfen müsste. Ich liebte den Ehrenkodex an der University of Virginia. Wenn ein Student vor einer Prüfung krank geworden war und nachgeprüft werden musste, brauchte ich keine neuen Examensfragen auszuarbeiten. Der Student gab sein »Ehrenwort«, dass er mit niemandem über die Examensfragen gesprochen hatte, und ich gab ihm die Fragen, die die anderen bereits beantwortet hatten.
Menschen lügen aus vielen Gründen und oft nur, weil es ihnen die beste Möglichkeit scheint, das, was sie wollen, mit geringerer Anstrengung zu bekommen. Doch wie so viele
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