Last Lecture - die Lehren meines Lebens
Job. Ein Postgraduiertenstudium war kein Thema.
Doch mein »holländischer Onkel« und Mentor an der Brown University, Andy van Dam, riet mir: »Mach deinen Doktor, werde Professor.«
»Warum sollte ich das tun?«, fragte ich ihn.
Da antwortete er mir: »Weil du dich so gut verkaufen kannst, und wenn du dir jetzt in irgendeinem Unternehmen Arbeit suchst, werden sie dich als Vertreter einsetzen. Aber wenn du schon Verkäufer wirst, dann kannst du ebenso gut etwas Wertvolles verkaufen, zum Beispiel eine Ausbildung.«
Ich werde ihm ewig dankbar sein für diesen Rat.
Andy riet mir, mich an der Carnegie Mellon University zu bewerben. Er hatte schon viele seiner besten Studenten dorthin geschickt. »Du wirst angenommen, kein Problem«, sagte er und schrieb einen Empfehlungsbrief.
Die Fakultät an der Carnegie-Mellon las sein begeistertes Schreiben, sah meine akzeptablen Noten und die glanzlose Punktzahl, die ich bei meinem Abschlussexamen ergattert hatte. Dann besprachen sie meine Bewerbung.
Und lehnten mich ab.
Anderswo hätte ich Doktorandenstudienplätze bekommen, aber die Carnegie Mellon wollte mich nicht. Also marschierte ich in Andys Büro und warf die Absage auf seinen Schreibtisch: »Ich wollte nur, dass du weißt, wie sehr Carnegie Mellon deine Empfehlungen schätzt.«
Sekunden nachdem der Brief auf seinem Tisch gelandet war, hatte er bereits den Telefonhörer in der Hand. »Das biege ich hin, ich krieg dich da rein«, sagte er.
Aber ich bremste ihn: »Auf die Art will ich es nicht.«
Wir machten einen Deal. Ich würde mir die Universitäten ansehen, die bereit waren, mich zu nehmen, und wenn es darunter keine einzige gab, an der ich mich wohlfühlte, würde ich wieder auf sein Angebot zurückkommen, und wir würden reden.
Die anderen Möglichkeiten stellten sich als derart unpassend für mich heraus, dass ich schon bald wieder bei Andy saß und ihm erklärte, dass ich beschlossen hätte, das Aufbaustudium sausen zu lassen und mir einen Job zu suchen.
»Nein, nein, nein!«, rief er. »Du musst deinen Doktor machen, und du musst an die Carnegie Mellon.«
Er griff zum Telefon und rief Nico Habermann an, den Fachbereichsleiter für Computerwissenschaften und ebenfalls Holländer. Sie redeten eine Weile in ihrer Sprache über mich, dann legte Andy auf und sagte: »Sei morgen früh um acht in seinem Büro.«
Nico war ein Mann von ungemeiner Präsenz, ein Akademiker
alter europäischer Schule. Es war völlig klar, dass unser Treffen nur eine Gefälligkeit gegenüber seinem Freund Andy war. Er fragte mich, weshalb er meine Bewerbung neu in Betracht ziehen sollte, nachdem mich die Fakultät doch bereits auf Herz und Nieren geprüft habe. Mit Bedacht meine Worte wählend, antwortete ich: »Nachdem ich hier beurteilt wurde, erhielt ich ein volles Stipendium vom Office of Naval Research.« (Das Office of Naval Research betreibt an mehreren Labs wissenschaftliche Forschung für die United States Navy.) Nico erwiderte ernst: »Geld zählt nicht zu unseren Auswahlkriterien. Wir finanzieren unsere Studenten aus eigenen Forschungsmitteln.« Dann starrte er mich an. Oder genauer: Er starrte durch mich hindurch.
Es gibt im Leben eines jeden Menschen Schlüsselmomente, und man darf sich glücklich schätzen, wenn man wenigstens im Nachhinein begreift, welche Momente das waren. Ich wusste im selben Augenblick, dass ich mich mitten in einem solchen Moment befand. Mit aller Ehrerbietung, die mein arrogantes junges Ich aufbringen konnte, sagte ich: »Es tut mir leid, ich wollte damit nicht andeuten, dass es um Geld geht. Es ist nur so, dass sie bloß fünfzehn solcher Stipendien im ganzen Land vergeben, deshalb hielt ich es für eine Ehre, die von Bedeutung ist, und ich möchte mich entschuldigen, wenn das anmaßend von mir war.«
Es war die einzige Rechtfertigung, die mir einfiel, aber es war die Wahrheit. Sehr, sehr allmählich begann Nicos gefrorene Mine aufzutauen. Wir redeten noch ein paar Minuten.
Nachdem sich noch mehrere Fakultätsmitglieder mit mir unterhalten hatten, wurde ich von der Carnegie Mellon
University angenommen und machte dort meinen Doktor. Das war eine Mauer gewesen, die ich nur mit einem kräftigen Schubs meines Mentors und ein paar ernsthaften Kriechereien überwinden konnte.
Bis ich auf dem Podium stand, um meine Last Lecture zu halten, hatte ich noch nie einem Studenten oder Kollegen an der Carnegie Mellon erzählt, dass meine Bewerbung dort abgelehnt worden war. Wovor hatte ich Angst
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