Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
Lürmann nahm unwillkürlich das von ihm mitgebrachte Exemplar an sich, so als habe er Angst, es könne in der Masse der vorgelegten Vergleichsstücke untergehen, obwohl es sich aufgrund seiner Beschädigung von ihnen unterschied. «Erst neulich hab ich wieder einen von denen verkauft, selbstverständlich unversehrt.»
«Und an wen? Zufällig an einen Herrn Hüttenberger?» «Das stimmt. Woher wissen Sie das? Der kommt oft zu uns. Zur Zeit ist allerdings keine Saison für Rosenkränze; die gehen mehr zur Firmungs- und zur Kommunionzeit.» Innerlich jubelte Lürmann über seinen Volltreffer, nach außen verzog er jedoch keine Miene. «Herr Hüttenberger also, das bestätigen Sie?»
«Ich sage Ihnen, das ist ein komischer Mensch; aber ein guter Kunde. Kauft ständig Rosenkränze. Er sammelt sie anscheinend, behauptet er jedenfalls. Haben Sie vielleicht einen unerlaubten Handel angezeigt bekommen?» Die Verkäuferin war von ihrer Idee fasziniert. Solche windigen Geschäfte hätte sie dem Hüttenberger dann auch noch zugetraut. Lürmann verneinte nur, wollte nichts erklären. «Genau vor einer Woche hat er bei mir so einen Rosenkranz gekauft, auf den Tag genau; das weiß ich noch, er war so aufdringlich!»
Scheinbar schaute Lürmann die Verkäuferin an, tatsächlich aber sah er nachdenklich durch sie hindurch. Folgerichtig schloß er, daß der Kauf wohl an dem Tag stattgefunden haben mußte, an dem Hüttenberger dem Laubmann einen Rosenkranz schenken wollte. Und das war nach dem Unfall! Wenn Hüttenberger, als Täter am Unfallort, seinen Rosenkranz dort verloren hatte, hat er Ersatz gebraucht und anschließend einen neuen gekauft.
‹ Das ist viel zu spekulativ und nicht beweisbar›, zögerte Lürmann in seinen Gedanken. Es wirkte fast zu naheliegend. Würde sich Hüttenberger nicht erst recht verdächtig machen, wenn er wirklich als Täter den Rosenkranz nachgekauft und verschenkt hätte? Es sei denn, und damit würde Glaser richtig liegen, es sei denn, er hat keine Ahnung, daß er den ersten direkt am Tatort verloren hat. Aber wäre es ihm nicht aufgefallen, als er zerrissen wurde? Außerdem: Warum hat er den nachgekauften Rosenkranz dann gleich wieder Laubmann geschenkt? Oder hat er den Rosenkranz nur zufällig für Laubmann erworben? Lürmann war sich unschlüssig.
«Hier haben wir noch welche in der Art.» Die Fachverkäuferin hatte eine Holzschachtel aus einer anderen Schublade herausgenommen. Lürmann wollte freundlich sein und ließ sich Rosenkranz für Rosenkranz vorlegen, obwohl sie ihn zu nerven begannen. Die Verkäuferin wurde immer eifriger, ja vertraulicher.
«Ich sage Ihnen: Der Herr Hüttenberger war der einzige Käufer dieser Ware seit fast einem Vierteljahr. Davor habe ich nur ungefähr vier oder fünf an Touristen verkauft, die mit einem Reisebus in der Stadt waren.»
Lürmann staunte, wie sie sich diese Dinge genau merken konnte. Aber vermutlich kamen außerhalb der Feiertags«Saison» nicht allzu viele Kunden in den Laden. «Ich sage Ihnen: Der sammelt Rosenkränze wie verrückt und schwärmt die ganze Zeit von seiner ‹ tollen › Sammlung. Der hat wahrscheinlich über hundert davon. Das ist ja auch nicht gerade fromm, wenn Sie mich fragen», stellte die Verkäuferin fest. «Mit Frömmigkeit hat das gar nichts mehr zu tun!»
«Da haben Sie sicher recht,» bestätigte Lürmann. «Einige von seinen Rosenkränzen müssen sehr wertvoll sein und sehr teuer. Hat er jedenfalls schon oft erzählt. Sonst, wenn er ein neues oder ein besonderes Stück sieht, kauft er immer nur ein einziges Exemplar. Und das war nämlich komisch: Vor einer Woche, als er den einfachen Rosenkranz nachgekauft hat, hat er auch einen anderen, ganz schön teuren noch einmal nachgekauft. Damit hat er bei der Gelegenheit sogar angegeben. Schauen Sie her, so einen ähnlichen hat er nachgekauft!» Sie wies fast ehrfürchtig auf eine Schublade unter der gläsernen Abdeckplatte des Verkaufstisches.
Lürmann beugte sich darüber und erkannte gleich, daß hier die wertvolleren Rosenkränze ausgestellt waren. Man sah es ihnen an, daß sie teurer sein mußten, selbst wenn die billigen Stücke noch so mit falschem Gold und falschen Edelsteinen in die Augen stachen.
«Welchen von denen meinen Sie jetzt?» Lürmann zog sein Notizbuch heraus.
«Es war der Rosenkranz mit den echten Elfenbeinperlen und dem Silberkettchen. Den hat er noch einmal gekauft, obwohl er ihn früher schon mal bei uns erstanden hat. Das hat er doch sonst nie
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