Laubmann 2 - Bärenzwinger
den Weg gemacht. Der hochgewachsene Hans Merten, der wieder vorausging, dahinter Gisela Merten und Philipp Laubmann sowie Petrus von Bebenhausen, der sich diesmal einfach angeschlossen hatte. Sie vermieden es, zu dieser nächtlichen Stunde und bei dem anhaltenden Schneefall den Innenhof des Hauptgebäudes zu durchqueren. Dieser eigentliche Innenhof stand mit dem das vierflügelige Hauptgebäude umgebenden äußeren Burghof in keiner direkten Verbindung.
Ein breiter, repräsentativer Gang mit an der Wand befestigten früheren Ansichten der Burg führte auf einen Quergang im Hochparterre zu. Die Gänge waren durch eine moderne Glastür voneinander getrennt. Der Quergang bildete die Längsachse des Gästetrakts und besaß in seinem mittleren Abschnitt, von der Glastür aus also zur rechten Seite hin, mehrere Fenster mit Blick auf den Innenhof, die den Türen der Gästezimmer gegenüberlagen. Nach links stieß man lediglich auf zwei Gästezimmer, ehe der Quergang auf eine historisch anmutende, schwere Eichenholztür traf. Das letzte der beiden Zimmer dort wurde für die Zeit der Tagung von Professor Alfonso Forster bewohnt.
Nachdem sich die Gruppe, beinahe erwartungsvoll, davor versammelt hatte, ergriff der Kastellan die Initiative und klopfte energisch an die Tür: «Herr Professor Forster! Hans Merten, der Kastellan! Darf ich Sie kurz stören?»
Alle lauschten gespannt auf eine Antwort. Merten wiederholte das Anklopfen.
«Hoffentlich ist er nicht ohnmächtig», äußerte Gisela Merten halblaut ihre Befürchtung.
Ihr Vater reagierte prompt und zückte einen der Generalschlüssel, denn die neueren Schlösser der Gästezimmer waren so konstruiert, daß sie sich, selbst wenn die Türen abgeschlossen waren und die Schlüssel von innen steckten, gegebenenfalls und nur von einer dazu befugten Person auch von außen entriegeln ließen. Zuvor jedoch drückte er die Klinke nach unten und stellte verblüfft fest, daß das Zimmer gar nicht verschlossen war.
Hans Merten rief noch einmal den Namen des Professors und schaltete sofort beim Aufschieben der Tür das Deckenlicht an. Nacheinander betraten sie den Raum, fanden Alfonso Forster aber nicht vor, nicht hier im Zimmer und nicht im angrenzenden Bad.
Das Bett war nicht unberührt; die Tagesdecke war nur notdürftig zurechtgezogen. Laubmann fiel sogleich die Unordnung auf; jedoch keine Unordnung, wie sie etwa in seinem Zimmer herrschte, gewissermaßen aus Nachlässigkeit heraus, sondern so, als hätte jemand das Zimmer oberflächlich durchsucht. Das Rouleau innen am Fenster war heruntergelassen.
«Vielleicht war er bloß in Eile und hat selber was gesucht», gab Gisela Merten zu bedenken. «Zum Beispiel seine privaten Unterlagen.»
Von Bebenhausen stimmte ihr zu.
Laubmann hingegen war ganz Kriminalist: «Wissen Sie, was ich für noch viel kurioser halte als das Durcheinander hier? – Professor Forster hat seinen Zimmerschlüssel gar nicht bei sich! Der steckt nämlich im Schloß, und zwar von innen.» Der Bärenanhänger baumelte daran.
«Das kann schon mal vorkommen. – Auf der Babenburg wird nichts gestohlen», versicherte Gisela Merten und nahm den Schlüssel an sich.
«Oder er hat sein Zimmer überhastet verlassen; daß er in Eile war, wie Sie sagen. Die Frage ist, warum?»
Bebenhausens Sorge um Alfonso Forster war nicht geringer geworden: «Womöglich hatte er wieder einen Schwächeanfall und hat dringend Hilfe gebraucht.»
«Dann hätte er mich auch telefonisch an der Rezeption erreichen können», antwortete die Tochter des Kastellans.
«Ein Kranker handelt in seiner Panik nicht immer mit Bedacht.»
«Damit haben Sie nicht unrecht, Herr von Bebenhausen», gab Laubmann zu, «aber unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, wundert es mich, daß er beim Verlassen des Zimmers das Licht gelöscht hat; trotz der Panik.»
«Könnte es nicht sein, daß er sich von Anfang an im Dunkeln aufgehalten hat?»
Hans Merten war nicht wohl bei der Sache: «Also, ich bin sehr dafür, weiter nach ihm zu suchen.»
Dagegen hatte niemand etwas einzuwenden. – Wieder auf dem Gang, deutete Laubmann auf die schwere Eichenholztür: «Wohin geht es da?»
«Ach, dahinter ist nur ein abgelegener Trakt mit drei Gästezimmern, die nur selten genutzt werden, weil sie über keine ausgebauten Bäder verfügen», erklärte ihm der Kastellan. «Sie wohnen übrigens unmittelbar darüber.»
Sie warfen dennoch sicherheitshalber einen Blick in die Räume, freilich ohne Professor Forster zu
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