Laubmann 2 - Bärenzwinger
Glöcklein griff das Stichwort auf. «Außer dem eigentlichen Zwinger für die Bären wird auch der Besprechungsraum landläufig und ein wenig spöttisch, wie ich bekenne, als ‹Bärenzwinger› bezeichnet, seitdem das Fell eines früheren Burgbären dort an der linken Seitenwand angebracht ist.»
«Das ist nicht zu übersehen», sagte Glaser.
«Vor über zwanzig Jahren mußte der damalige Burgbär aus Alters- und Krankheitsgründen eingeschläfert werden. Wie ich gehört habe, wurde er anschließend im Schlachthof gehäutet. Jedenfalls wurden der Kopf und das Fell nicht gemeinsam präpariert. Der Kopf kam ins Natur kunde-Museum unweit unserer Katholisch-Theologischen Fakultät, wo er immer noch zu betrachten ist, das Fell hingegen wieder auf die Burg. Das Verwaltungsgremium hat dann vor etlichen Jahren mehrheitlich den Entschluß gefaßt, es an einer Wand des Besprechungszimmers befestigen zu lassen, obgleich an den wertvollen historisierenden Stofftapeten in diesem Raum sonst keinerlei Bilder hängen.
Ich war an der Entscheidung allerdings nicht beteiligt. Ich wäre strikt dagegen gewesen, denn der Raum sieht jetzt mit dem Fell und den ohnedies grünen Stofftapeten aus wie ein Jagdzimmer. Und zum Kreuz über der Tür paßt das Fell zweimal nicht. Schon an diesem kleinen Beispiel erkennt man, wohin demokratische Entscheidungen in der Kirche führen.»
Laubmann lachte auf: «Mord im Bärenzwinger – wenn das keine tragikomische Wende ist», hätte den Ausspruch jedoch am liebsten gleich wieder zurückgenommen. Nicht umsonst war einer seiner selbsterzieherischen Wahlsprüche aus den Psalmen: «Herr, stell eine Wache vor meinen Mund, eine Wehr vor das Tor meiner Lippen!»
Kommissar Glaser dachte daran, zu schärferen Verhörmethoden überzugehen, um die permanenten Abschweifungen und unnützen Zwischenbemerkungen zu unterbinden. «Sie notieren das hoffentlich nicht alles», ermahnte er die Sekretärin.
Sie verneinte mitfühlend.
«Eine Frage noch an Sie, Herr Dr. Laubmann, und bitte antworten Sie so kurz und präzise wie möglich: Wann und wo haben Sie Professor Forster zum letzten Mal gesehen, lebend?»
Laubmann gab an, daß dies am Vortragsabend im Konferenzsaal gewesen sein müsse, nicht allzu lang vor dem Beginn des Eröffnungsreferats von Professor Grunde, also vor 20 Uhr.
Glaser ergänzte: «Aus allen bisherigen Zeitangaben ist die Schlußfolgerung zu ziehen, daß sich die Tat zwischen
20 Uhr und 22 Uhr 30 ereignet haben muß. Nach den vorläufigen Feststellungen des Arztes und des Pathologen eher im ersten Drittel dieses Zeitraums als später.»
Kommissar Lürmann wollte wissen, ob Laubmann und der Prälat den südamerikanischen Professor schon in der Vergangenheit gekannt hatten.
«Ich habe ihn leider erst am Samstag bei der Ankunft kennengelernt», bedauerte Laubmann, «und richtig erst gestern vor dem Abendessen, als ich mich allein mit ihm unterhalten durfte. Ansonsten hatte ich mal das eine oder andere seiner Bücher in Händen. Hier im Saal hat er mir noch flüchtig zugewunken, irgendwann vor dem Referat, aber er hat zerstreut gewirkt; und dann hab ich ihn aus den Augen verloren.»
«Und Sie, Herr Prälat?»
«Mir war Professor Forster nur insofern persönlich bekannt, da ich mit ihm als unserem Ehrengast vorab telefoniert habe. Ab und zu hatte ich etwas über ihn oder von ihm gelesen. Gesehen habe ich ihn, außer auf Fotos, zum ersten Mal als Toten. Denn als ich in den Konferenzsaal gekommen bin, war er wohl nicht mehr anwesend. Aber ich glaube, einige der Tagungskollegen kennen ihn von früheren Symposien, Professor Bach zum Beispiel. Professor Forster muß öfter in Deutschland gewesen sein; er galt in bestimmten wissenschaftlichen Kreisen ja als Koryphäe.»
Von wann bis wann beide am Vortragsabend im Konferenzsaal waren, wollte Glaser erfahren.
«Ich bin nach dem Abendessen herübergegangen, also nach halb acht», überlegte Laubmann. «Und danach hab ich den Saal erst wieder verlassen, als wir Alfonso Forster gesucht haben.»
«Waren Sie auch beim Abendessen?» Glaser drehte sich zu Glöcklein um.
«Wie erwähnt, ich bin direkt zum Vortragsbeginn aus der Stadt eingetroffen. Ich hatte im Ordinariat eine Besprechung, und die Straße war verschneit. Zum Essen bin ich an dem Abend gar nicht gekommen, obwohl die Fastenzeit noch nicht angefangen hat. Am Ende der Veranstaltung habe ich mich – und nicht nur fachlich – mit mehreren Herren unterhalten, unter anderen mit Dr. Böhmer …
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