Laubmann 2 - Bärenzwinger
Befragungsplatz. Er kam sich wie ein armer Sünder vor, dem am Schluß eine Buße auferlegt werden soll; nur daß der Beichtvater nicht Glöcklein hieß, sondern Glaser. Er wußte nicht, wer ihm als Beichtiger lieber war.
Der Kriminalhauptkommissar bemühte sich um einen dienstlichen Ton: «Herr Dr. Laubmann, ich möchte mit Ihnen die Befragung beginnen, weil Sie an der Suche nach dem Vermißten und bei der Auffindung seiner Leiche vorrangig beteiligt waren.»
«Wohlan!» rief Albert Glöcklein aus dem Hintergrund, weil er seine gespannte Erwartung kaum zügeln konnte.
Glaser ließ sich nicht beeinflussen. «Zudem habe ich den Entschluß gefaßt, Herrn Prälaten Glöcklein und Sie als Berater in die Untersuchungen miteinzubeziehen, denn der Herr Prälat und Sie vermögen sicher etwas zur Klärung religiöser oder akademischer Gesichtspunkte beizutragen – obwohl das Verhalten aller, ich betone: aller, bei dem Fall zu hinterfragen ist. Daß ich Sie nochmals um Verschwiegenheit bitten muß, versteht sich von selbst.» Er sah mit strenger Miene abwechselnd zu Glöcklein und Laubmann.
«Nulli tacuisse nocet», antwortete der Prälat.
«Oratio cultus animi est», setzte Laubmann drauf.
Christine Fürbringer unterbrach ihre Mitschrift und schaute fragend auf.
«Nein, meine Herren, nein! So wollen wir gar nicht erst anfangen. Reden Sie bitte in einer allgemein verständlichen Sprache», protestierte Glaser. Für den gehobenen Polizeidienst waren gute Kenntnisse des Lateinischen schließlich keine Voraussetzung.
« Es schadet keinem zu schweigen», übersetzte Glöcklein nachsichtig.
«Aber», erklärte Laubmann, « die Rede ist des Geistes Zierde. – Sie erwarten doch umfassende Auskünfte von mir.»
‹Die freilich nicht erschöpfend sein müssen›, ergänzte Lürmann still für sich.
«Wir befinden uns zwar auf kirchlichem Terrain, aber nicht in der Kirche.» Glaser wollte sich sein Konzept nicht verderben lassen. «Verzichten Sie bitte auf fromme Sprüche.» Er griff nach dem Tagungsprogramm. «Zunächst: Auf der Teilnehmerliste werden Sie als Dr. Philipp E. Laubmann aufgeführt. Was bedeutet das E?»
Philipp wurde ein wenig verlegen. «Das E steht für Erasmus. Mein seliger Vater hat mich mit dem zweiten Vornamen nach dem Humanisten Erasmus von Rotterdam benannt, der am Übergang des Mittelalters zur Neuzeit gelebt hat und ein Zeitgenosse Luthers war. Ich glaube, meinem Vater gefiel an Erasmus, daß er mit der Kirche nicht immer einer Meinung war.» Laubmann blickte freundlich zu Glöcklein.
«Wie Sie, Herr Dr. Laubmann, ganz wie Sie.»
Glaser tat es schon leid, danach gefragt zu haben. «Sie
haben das Mordopfer, Alfonso Forster, im sogenannten Besprechungszimmer etwa um 22 Uhr 30 aufgefunden. Wer sonst war anwesend, und was genau haben Sie beobachtet?» Der Kommissar setzte beim Doktor der Moraltheologie auf dessen Sinn fürs Kriminalistische.
Laubmann war’s nur recht. Er erwähnte die beteiligten Personen – Hans Merten, Gisela Merten, Petrus von Bebenhausen, Albert Glöcklein, Friedemann Böhmer – und schilderte den Ablauf minutiös, soweit er ihn im Gedächtnis behalten hatte: die verschlossene Tür, die Lage des Toten, sein Aussehen, das Entsetzen der Anwesenden, die Hilfeleistung Böhmers, die Gebete Bebenhausens.
«Als wir die Leiche Professor Forsters aufgefunden haben, war außer uns niemand im Raum. Auch der Verbindungsgang zwischen Konferenzsaal und Besprechungszimmer war leer, ebenso der dem Zimmer vorgelagerte Quergang, der links vom Verbindungsgang zu den Erkerfenstern führt. Das Licht in den Gängen war an, das Licht im Zimmer vor unserem Eindringen aus. Das alte Doppelfenster im Besprechungszimmer, das wie die Erkerfenster zum hinteren Burghof geht, war von innen geschlossen, und die Vorhänge dort waren geöffnet. Die schmalen Erkerfenster waren gleichfalls geschlossen.»
«Durch diese Schießscharten würde sowieso niemand hindurchpassen», kommentierte der dickliche Prälat.
«Ich vermute, die sind nur dazu da, um etwas Außenlicht in den Korridor zu lassen.»
Glaser gefiel Laubmanns Gewissenhaftigkeit, auch wenn sie anderweitig lästig werden konnte. «Ihre Beschreibung deckt sich mit unseren Ermittlungsergebnissen. Alle Fenster und Türen waren übrigens unbeschädigt.»
Laubmann war noch lange nicht fertig. «Was mir
besonders aufgefallen ist, war zum einen die Tatsache, daß die Tür zum Besprechungszimmer zwar abgeschlossen war, daß jedoch weder außen noch innen
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