Laubmann 2 - Bärenzwinger
unglücklich, als Laubmann gleich darauf mit einem «Entschuldigen Sie mich» entschwand, weil jener seinen Chef, Professor Hanauer, am Hauseingang stehen sah und ihn begrüßen wollte.
Raimund Hanauer erfuhr gerade von Friedemann Böhmer, was sich auf der Burg ereignet hatte. Er war noch nicht informiert worden; nicht darüber, daß sich der Ablauf der Tagung nun änderte – und nicht über den Mord.
Hanauer war ob des Todes von Alfonso Forster schockiert, obwohl er es sich nicht anmerken ließ. Dazu war der Zweiundfünfzigjährige ein zu feiner, zu distinguierter Herr, schlank und hoch aufragend, mit einem markanten Gesicht, welches durch das leicht vorstehende Kinn manchmal streng wirkte. Er trug einen schwarzen Mantel und einen seiner edlen dunklen Anzüge darunter. Den schwarzen Hut hatte er abgenommen. Er war in seiner Haltung durch und durch Priester und Moraltheologe, wenn auch mit liberaler Neigung, verbarg aber seine Herkunft aus einer vermögenden Familie nicht.
«Wie konnte das nur geschehen? Haben Sie eine Erklärung dafür?» fragte Hanauer. Böhmer und Laubmann schwiegen bedauernd. «Professor Forster hat erst vor kurzem, das mag vor zwei Wochen gewesen sein, seiner alten Wirkungsstätte einen Besuch abgestattet, und ich habe mich sehr angeregt mit ihm unterhalten. Ich hatte vorher noch nicht das Vergnügen, ihn wirklich näher kennenzulernen. Sie wissen ja», Hanauer blickte von Böhmer zu Laubmann, «daß Forster vor Jahrzehnten zusammen mit dem Kollegen Böhmer mal an unserem Lehrstuhl war.»
Philipp Laubmann bejahte. «Leider bin ich Professor Forster nicht schon vor zwei Wochen in der Fakultät begegnet.» Er wandte sich seinerseits an Böhmer: «Aber wir sind uns an dem Tag doch begegnet?»
Friedemann Böhmer schaute ihn fragend an; dann fiel es ihm wieder ein. «Richtig, als ich für einen Tag aus Dresden gekommen bin, unter anderem wegen der Tagung. Schade, daß ich nicht mit Alfonso sprechen konnte. Ich wußte nicht, daß er bereits in Deutschland sein würde, sonst hätte ich einen Termin vereinbart.» Die sonore Stimme des Sozialethikers beeindruckte sie.
«Wann war das eigentlich, als Sie und Professor Forster gemeinsam an unserem Lehrstuhl beschäftigt waren?» erkundigte sich Hanauer bei Friedemann Böhmer.
«Das war im Jahr 1977. Alfonso ging dann nach Brasilien.»
«Und Sie selbst? Haben Sie nicht bei einem meiner Vorgänger, Professor Wittkopp, promoviert?»
«Ich mußte zusehen, fertig zu werden, weil ich im darauffolgenden Jahr eine Assistentenstelle in Freiburg antreten konnte.»
«Unfaßbar, finde ich, wie lange das zurückliegt; wenn man bedenkt, was und wo man selbst damals war. Genauso unfaßbar wie dieser plötzliche Tod.» Hanauer wirkte gedankenversunken.
«Die Kommissare Glaser und Lürmann sind sehr bemüht, den Fall aufzuklären», versicherte Laubmann.
«Die beiden Beamten sind mir noch bekannt, vom Todesfall Ruhland. Auch eine schlimme Geschichte. Daß unsere Fakultät einfach nicht zur Ruhe kommt. Wie soll man da vernünftig wissenschaftlich arbeiten? – Außerdem fürchte ich, lieber Dr. Laubmann», Hanauer nahm seinen Assistenten zur Seite, «daß Ihre Habilitation erneut darunter leiden wird.»
Philipp Laubmann war dieser Appell an seine Arbeitsmoral äußerst unangenehm, zumal Friedemann Böhmer mithören konnte. Doch Hanauer beließ es dabei und verabschiedete sich bald. Er wolle erst wieder den Burgberg erklimmen, wie er sagte, wenn das Tagungsprogramm definitiv und konkret fortgesetzt würde. Im Moment sei er hier bloß im Wege.
Einen Augenblick später holte Lürmann den kriminalpolizeilichen Berater Laubmann in den Konferenzsaal, obwohl sich Laubmann trotz seines Vormittagsschlafs gerne auch einen kleinen Mittagsschlaf gegönnt hätte. Denn die Befragungen sollten sich wirklich den gesamten Nachmittag über hinziehen und mußten allein des abgedunkelten Raums wegen ermüdend sein. Und würden nicht an alle die gleichen Fragen gerichtet werden? Dem Prälaten und der Sekretärin erging es damit nicht anders als Laubmann. Der bereitgestellte Kaffee half nicht viel.
Glaser war jedoch unnachgiebig. Er wollte Ergebnisse. Selbst wenn es nur formale Ergebnisse sein sollten. Eine der formalen Erkenntnisse war, daß am Vortag, also am Sonntag, alle auf der Babenburg anwesenden Teilnehmer der Tagung von 20 bis 22 Uhr beim Referat, das Professor Helmuth Grunde im Anschluß an die Begrüßungsworte des Prälaten vorgetragen hatte, sowie bei der
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