Laubmann 2 - Bärenzwinger
bis eben Herr Dr. Laubmann mit seiner Suchtruppe im Saal erschienen ist.»
«Hat einer von Ihnen während des Vortrags jemanden aus dem Gang zum Besprechungszimmer kommen sehen?»
Glöcklein und Laubmann hatten nichts dergleichen beobachtet.
«Na schön; dann will ich’s zunächst damit bewenden lassen und danke für Ihre Bereitwilligkeit, uns Rede und Antwort zu stehen. Nach der Mittagspause machen wir mit den übrigen Beteiligten weiter.»
«Bevor Sie mich aus dem Zeugenstand entlassen, Herr Kommissar», meldete sich Laubmann nochmals zu Wort, «würde ich gerne noch zwei, drei Gedanken zur Sache vorbringen; Verdachtsmomente, wenn Sie so wollen.Was mich nämlich verwundert hat, war erstens der Gesichtsausdruck des Toten; er war überhaupt nicht verzerrt, sondern gelöst. Als wäre Alfonso Forster im Moment seines Todes nur erstaunt gewesen, beinahe seelisch erleichtert. Zweitens: Warum befand sich das private Manuskript des Opfers im ‹Bärenzwinger› und nicht, wie seine restlichen Unterlagen, im Konferenzsaal? Und drittens, worauf ich vorhin schon hingewiesen habe, die verschlossene Tür und der ominöse Schlüssel. Das Opfer war eingeschlossen. Offensichtlich hat sein Mörder die Tür verschlossen, aber warum?»
«Sie theoretisieren», antwortete Glaser. «In der Praxis läßt sich vieles oft erstaunlich einfach erklären. Wenn der Mörder die Tür von außen verschließt und den Schlüssel verschwinden läßt, verschafft ihm das Zeit. Denn je später der Tote entdeckt wird, um so länger hat der Täter Gelegenheit, die Tat zu verschleiern und sich ein Alibi zu konstruieren.»
Laubmann mußte zugeben, daß dies ein gutes Argument war.
«Sein Manuskript», argumentierte Glaser weiter, «kann und wird Alfonso Forster selber dort vergessen haben. Einige hatten sich schon vorher im Besprechungszimmer aufgehalten, warum nicht auch Forster? Und der Ausdruck eines Toten oder eines Sterbenden … wie wollen wir darüber urteilen? Was in solch einem Augenblick rein körperlich passiert, wie sich Muskelanspannungen verändern oder lösen, was gar seelisch vor sich geht, entzieht sich doch unser aller Kenntnis und Erfahrung.»
***
Nach dem Mittagessen packten die Mitarbeiter des Erkennungsdienstes ihre Utensilien zusammen, um wieder hinab in die Stadt zu fahren. Sie hatten eine eindrucksvolle Kollektion von Finger- und Handabdrücken, zumal von bedeutenden Wissenschaftlern, in ihren Koffern und jetzt genug damit zu tun, sie auszuwerten.
Kriminalhauptkommissar Dietmar Glaser drängte mit der Autorität seines Amtes darauf, daß sich alle für die Befragung relevanten Personen den Nachmittag über zur Verfügung hielten. Er hatte sich mit Ernst Lürmann noch einmal grundsätzlich darauf verständigt, die Fragen im wesentlichen auf den Tatzeitraum und auf die Beobachtungen im Konferenzsaal während dieser Zeit auszurichten, da der Täter oder die Täterin den Saal als einzig möglichen Ausgang beziehungsweise Fluchtweg genutzt haben mußte. Die einzigen Türen, die Tür des «Bärenzwingers» sowie die Tür des Korridors, führten in diese Richtung; und das Fenster des «Bärenzwingers» war von innen verschlossen gewesen.
«Vielleicht ‹singt› einer heute noch, wie das in der Gaunersprache heißt», äußerte sich Glöcklein jovial und zuversichtlich gegenüber Laubmann.
Es habe doch zum Mittagessen bereits Rouladen gegeben, meinte der Angesprochene, der zusammen mit dem Prälaten vor dem Speisesaal stand.
«Ich verstehe ganz und gar nicht, was Sie damit sagen wollen.» Glöcklein sah ihn verdutzt an, denn er kannte Laubmann privat nicht gut genug, um auf einen solchen Ausspruch teilnahmslos und abwartend zu reagieren. Denn der lieferte seinen verblüfften Gesprächspartnern mit Wonne immer gleich einen Kommentar dazu.
«Der Begriff ‹Roulade› ist nicht nur die gewohnte
Bezeichnung für ein gerolltes und zusammengebundenes Stück Fleisch, mit Blaukraut und Kartoffelklößen serviert, sondern auch die Bezeichnung für eine meisterhaft vorgetragene Gesangseinlage. Wozu ich mir die Bemerkung gestatte, daß einem beides wie ein Kloß im Halse steckenbleiben kann.» Laubmann freute sich diebisch, ein Wort aus seiner Sammlung ausgefallener und doppeldeutiger Begriffe zum besten geben zu können. «Den Ausdruck verwendet übrigens auch E. T. A. Hoffmann in seinen Erzählungen.»
‹Was für ein Klugschwätzer.› Der Prälat ließ sich nicht gerne belehren, erst recht nicht ironisch. Er war nicht
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