Laubmann 2 - Bärenzwinger
nachfolgenden Diskussion dem Prinzip nach im Konferenzsaal waren. Das stellte sich im einzelnen so dar, daß einige der Zuhörerinnen und Zuhörer während des Vortrags und vor allem am Ende desselben den Saal kurz verlassen hatten, um zur Toilette zu gehen.
Dies war freilich für die Erörterung des Sachverhalts insofern nicht relevant, als sie zum Verlassen beziehungsweise Betreten des Saals ausnahmslos den Haupteingang an der rückwärtigen Seite, nämlich die Flügeltür, benutzt hatten und von außerhalb ja kein Zugang zum Tatort vorhanden war. Die Kommissare bestanden jedoch auf einer exakten Schilderung auch der Nebensächlichkeiten, weil jene das Gesamtbild abrunden würden.
Drei Personen waren – nach den Aussagen mehrerer Teilnehmer, unter ihnen Laubmann – zu spät zum Vortrag erschienen, wobei sie ebenfalls durch den Haupteingang hereingekommen waren. Bei Christa Schanz-Haberberger waren es circa fünf Minuten, bei Friedemann Böhmer gut zehn und bei Franz Röttinger über fünfzehn.
Christa Schanz-Haberberger, die feministische Theologin aus München, gab an, sie habe sich noch die Beine im Hof vertreten und eine Zigarette geraucht, ein uraltes Laster. Friedemann Böhmer sagte aus, ihm sei beim Abendessen nicht wohl gewesen; eine Magen-Darm-Geschichte. Er habe keinerlei Appetit verspürt und sich bereits während des Essens zur Toilette begeben müssen. Vor Beginn des Referats dann ein zweites Mal und noch einmal während des Vortrags.
Von Laubmann kam eine Bestätigung: «Dr. Böhmer hat im Speisesaal sehr blaß ausgesehen, richtig kränkelnd. Obwohl der Raum überheizt war, hatte er sogar seine Wolljacke zugezogen, weil er fröstelte. – Ging es Ihnen später besser?»
«Besser als vorher und trotzdem nicht besonders; selbst heute noch nicht.»
Franz Röttinger schließlich entschuldigte sich damit, daß er auf seinem Zimmer einen seiner Koffer ausgepackt und darüber die Zeit vergessen habe. – Der vergeßliche Hirnforscher.
Gisela und Hans Merten sagten aus, sie hätten sich zur Zeit der wissenschaftlichen Veranstaltung im Bereich der Rezeption aufgehalten, sozusagen rufbereit. In einem Nebenraum sei der Fernseher gelaufen, von dem sie sich hin und wieder hatten ablenken lassen.
Von Sophia Merten, der Frau des Kastellans, erfuhren die Kommissare, daß sie nach dem Abendessen in der Küche und im Speisesaal beschäftigt gewesen sei – am Anfang unterstützt von ihrem Mann – und sich nach ihrer Arbeit in die Dienstwohnung über der Burgschmiede begeben habe.
Bei den jeweils einzeln durchgeführten Befragungen interessierten sich Kommissar Glaser und die Runde seiner Mitarbeiter immer auch dafür, wer Alfonso Forster vor der Veranstaltung oder im Verlauf derselben noch gesehen und wer ihn vor der Zusammenkunft auf der Burg schon persönlich gekannt hatte. Konkret erinnern konnten sich Gisela Merten, der Professor Forster beim Betreten des Vortragssaals aufgefallen war, und Petrus von Bebenhausen, dem Forster etwas über die vermißten Unterlagen angedeutet hatte. Heinrich Ippendorff war sich nicht mehr sicher, und alle anderen vermochten keine Angaben zu machen. Helmuth Grunde betonte, er habe sich gedanklich auf sein Referat vorbereitet und deshalb nichts um sich herum wahrgenommen.
«Herr Professor Meister», hakte Laubmann bei der Befragung des Mainzer Fachkollegen nach, «Sie haben uns doch, kurz bevor wir die Leiche Professor Forsters entdeckt haben, mitgeteilt, daß Sie ihm vor Beginn des Vortragsabends am Treppenaufgang zum Besprechungszimmer begegnet seien.»
«Ja, das stimmt. Er war auf dem Weg dorthin. Ich bin allerdings im Konferenzsaal geblieben. Was sich hinter den Türen ereignet hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Eventuell kann Ihnen Frau Burgerroth da weiterhelfen. Sie ist geraume Zeit nach Professor Forster ebenfalls zum Besprechungszimmer gegangen, gleich darauf aber wiedergekommen; im Gegensatz zu ihm. Nicht, daß Sie denken, ich wollte ihr was unterstellen; ich meine nur, vielleicht hat sie was Entscheidendes bemerkt.» Seine grau-gelben Haarsträhnen wirkten aufgewühlt.
Die schöne Barbara Burgerroth, der die Literatur und nicht die Theologie am Herzen lag, war dermaßen außer sich, als sie von Glaser darauf angesprochen wurde, daß Glöcklein unwillkürlich an den Spruch seines Großvaters denken mußte: «Hoffart muß leiden». Sie beschwor geradezu, daß sie Alfonso Forster nach dem Abendessen nicht mehr gesehen habe.
«Aber Sie geben zu, das
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