Laubmann 2 - Bärenzwinger
schlohweißen Haaren.»
«Weiß wie Hagel; worauf der Ausdruck ‹schloh› etymologisch zurückzuführen ist. Die Schloße, das Hagelkorn.»
Pater Oswald ging nicht auf Laubmanns Anmerkung ein, strich sich jedoch über die freie Stelle in seinem Haupthaar, als friere es ihn dort. «Ich fürchte, Pater Anton weiß noch gar nichts vom Tod seines Freundes. Er macht in dieser Woche ganz strenge Exerzitien bei Karmeliten in der Eifel und kommt erst am Samstag wieder. Dabei ist kein Telefon erlaubt, kein Fernseher, kein Radio und kein Internet, nicht mal eine Tageszeitung.»
Laubmann konnte sich – momentan selbst umfangen von der klösterlichen Stille und aus eigener Erfahrung – solch ein äußerliches Abwesendsein, um Gott zu suchen, sehr gut vorstellen. ‹Abwesenheit, um die Abwesenheit und Fremdheit Gottes ertragen zu lernen und vielleicht, im Sinne einer letztgültigen Hoffnung, zu durchbrechen. Gott ist immer der ganz Andere›, dachte Philipp gerade, als Pater Oswald weitersprach: «Mir fällt gerade ein, Pater Anton hat ein Päckchen für Professor Forster vorbereitet, das zu ihm auf die Babenburg geschickt werden sollte. Es war im Postausgang an der Pforte. Kann aber sein, daß es schon weg ist.»
«Deshalb bin ich eigentlich zu euch gekommen. Auf der Burg jedenfalls ist das Päckchen noch nicht eingetroffen.»
«So etwas bleibt bei uns manchmal tagelang liegen.» Das klang, als wolle Oswald sich darüber beklagen.
Und tatsächlich, der Frater an der Klosterpforte konnte ihnen die gesuchte Postsendung aushändigen, nachdem er umständlich in einer gelben Plastikkiste gewühlt hatte.
«Hab ich’s nicht gesagt?»
Das Päckchen war an die Akademie der Erzdiözese Bamberg auf der Babenburg adressiert, zu Händen von Professor Alfonso Forster, und mit dem Hinweis «persönlich» versehen.
«Ich bin ganz offiziell Berater der Kriminalpolizei», verkündete Laubmann.
«Wieder mal?»
«Du kannst mir das Päckchen bedenkenlos mitgeben.»
Oswald willigte ein. «Ich kenn dich ja», und es hörte sich an, als hätte er gern hinzugefügt: «… nur zu gut».
«Es kann sein, daß der Inhalt für den Mordfall wichtig ist.»
«Bleib doch zum Abendessen!» lud Pater Oswald ihn ein. «Dann können wir uns noch darüber unterhalten. Ich muß jetzt nämlich eine Orgelstunde geben.» Der Schüler übte bereits.
Laubmann nahm die Einladung selbstverständlich an und wollte die Wartezeit zu einem kleinen Spaziergang im Steigerwald nutzen. In Wirklichkeit brannte er vor Neugier. Er setzte sich in seinen weißen Opel und fuhr zu einem Parkplatz für Wanderer, unweit des Klosters. Dort stieg er aus, ergriff sein Lunchpaket, die Thermosflasche und das ihm anvertraute Päckchen, das er fest umklammerte, und ging ein paar Schritte zwischen den kerzengeraden Laubbäumen.
Er wanderte nicht lange. Direkt am Waldessaum ließ er sich auf einer verwitterten Bank nieder. Der Ort war sonnenbeschienen und kalt zugleich, also von der Temperatur her für Laubmann sehr angenehm. Wieder öffnete sich ein Tal vor ihm. Noch zögerte er, wog die Gründe ab, ob er berechtigt sei, das an Forster adressierte Päckchen zu erbrechen, oder ob er es unversehrt den Kommissaren zu übergeben habe.
Dabei flog sein Blick über die Baumkronen im Tal hin zum Waldgebiet «Kleinengelein», das er von einer Führung her kannte. Es hieß, das Waldgebiet sei wegen seines wertvollen Baumbestands sozusagen der «Buchen-Dom» für Forstwirte und Forstwissenschaftler. Sogar Bäume, die ein Alter von mehreren hundert Jahre hatten, waren darin zu finden. Frohgemut verspeiste Laubmann die restlichen Brote von Sophia Merten und trank von dem Tee.
Aber dann mußte er einfach nachsehen. Er zerschnitt mit seinem Taschenmesser die Schnur und riß das Packpapier auf. Ein Manuskript und ein gefalteter Brief lagen vor ihm. Auf dem Titelblatt las er: «Freiheit und Freisein. Von Dr. Alfonso Forster.» Im Begleitbrief von Pater Anton Baireuther hieß es: «Das sind die Fotokopien, die Du mir damals zur Durchsicht anvertraut hast, Du weißt ja Bescheid. Wenn Du das Paket erhältst, werde ich, wie angekündigt, bei den Exerzitien sein. Ich wünsche Dir alles erdenklich Gute und Gottes Segen. Das beiliegende Manuskript erinnert mich sehr an die früheren Zeiten, als wir viel zusammen waren.»
Laubmann blätterte geruhsam die Fotokopien durch. Das war noch altes Thermopapier. Der Originaltext war mit einer Schreibmaschine getippt und von Alfonso Forster handschriftlich
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