Laubmann 2 - Bärenzwinger
hatten.»
Der Kastellan war mit der Schilderung nicht einverstanden. «Als wir das Besprechungszimmer zum ersten Mal betreten und den Toten entdeckt haben, war das Licht aus und die Vorhänge waren offen.»
«Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, Herr Merten, aber Sie haben mir selber mitgeteilt, daß das Licht gebrannt hat und daß die Vorhänge geschlossen waren. Das wollten Sie etwa zur Tatzeit vom hinteren Burghof aus beobachtet haben.»
Hans Merten fuhr sich durch seine rötlichen Haare.
«Wir gehen jedenfalls davon aus, daß Professor Forster kurz darauf vom Konferenzsaal gekommen ist. Warum auch hätte er sich beim Eintreten wundern sollen, nur weil jemand, den er kennt, im Besprechungszimmer auf dem Sofa sitzt? Von der Kulisse hat er keine Ahnung, und die Öffnung über dem Fußboden, die kaum höher als einen halben Meter sein muß, wird von der breiten Rückenlehne des Sofas verborgen. Außerdem sucht Forster ja seine Unterlagen und sieht sie von der Tür aus sofort auf dem Stuhl liegen.»
«Und es war noch immer nichts passiert», wiederholte Lürmann. «Selbst wenn jemand anderes an seiner Statt erschienen oder wenn Forster in Begleitung gewesen wäre, was hätte es ausgemacht? Der Mörder war bis dahin noch kein Mörder.»
Glaser mischte sich ein: «Alfonso Forster beugt sich also über sein Manuskript, um es an sich zu nehmen. Das ist nämlich mit Bedacht auf den Stuhl gelegt worden, denn so kann der Täter mit dem schweren Messingständer schräg von oben nach unten zuschlagen. Eiskalt, wie ich meine. Laut Obduktionsbericht hat dieser eine kräftige Hieb im wesentlichen genügt, um Forster zu töten. Viel Blut ist dabei nicht geflossen.»
Einige schauten angewidert zur Seite, als sähen sie das Bild vor sich.
«Sie müssen bedenken, daß im Konferenzsaal ein entsprechender Geräuschpegel vorhanden war», erläuterte Ernst Lürmann. «Zudem fallen die Tür zum Saal und die Zimmertür von allein ins Schloß, der Heizkosten wegen. Folglich konnte im Saal niemand etwas von dem Geschehnis hören.»
Auch Philipp Laubmann war nach wie vor um eine sehr genaue Schilderung bemüht. «Diese Sekunden waren die gefährlichsten für den Mörder. Er hätte durchaus überrascht werden können. Deshalb sperrt er nach der Tat als erstes die Tür des ‹Bärenzwingers› ab und nimmt den Schlüssel an sich, ebenso wie bald darauf den Zimmerschlüssel des Opfers. Er prüft, ob Forster noch lebt, noch atmet, um ihm womöglich eine zweiten Schlag zu versetzen, schaltet daraufhin das Licht aus, zieht die Vorhänge zurück, verschwindet durch die Öffnung unter der Wand, läßt die Kulisse herunter, bringt draußen alles an seinen alten Platz und sperrt die Eichentür auf. Dabei hat er allerdings seinen zweiten Fehler begangen: Er hat vergessen, den Schlüssel der Eichentür wieder von außen ins Schloß zu stecken.
Insgesamt aber hat der Mörder ein perfektes Alibi, denn er kann gar nicht im ‹Bärenzwinger› gewesen sein, weil keiner von der Kulissenwand weiß. Die Tür unseres ‹Bärenzwingers› zu verschließen und den Schlüssel zu entfernen, war zudem ein geschicktes Ablenkungsmanöver. Auf diese Art verstärkte sich der Eindruck, als hätte der Täter den Raum von außen verschlossen und wäre in Richtung Konferenzsaal entwichen. Auf alle Fälle verschaffte ihm die verschlossene Tür einen Zeitgewinn.»
«Sofern die Aussage von Frau Burgerroth zutrifft, dürfte sie den Mörder tatsächlich beinahe überrascht haben», kommentierte Glaser. «Sie hat angeblich zur Tatzeit das Besprechungszimmer besichtigen wollen und die Tür bereits verschlossen vorgefunden.»
Barbara Burgerroth schien regelrecht schockiert und erblaßte, weil sie darüber noch gar nicht weiter nachgedacht hatte.
***
Kriminalkommissar Ernst Lürmann gab den zwei in der Eingangshalle wartenden Beamten der Spurensicherung eine letzte Instruktion für die anstehende Durchsuchung. Der dafür nötige Durchsuchungsbefehl des Ermittlungsrichters befand sich in der Innentasche von Glasers Mantel, der im «Bärenzwinger» über der Rückenlehne des Sofas hing; falls sich jemand beschweren sollte, wie etwa Albert Glöcklein als «Burgherr».
Noch bevor Lürmann zurück war, wurde die Klärung des Mordfalls fortgesetzt, wobei sich zunächst Professor Heinrich Ippendorff mit widerborstigem Tonfall zu Wort meldete: «Sie haben aufregende Bilder vor unserem geistigen Auge ausgebreitet und uns detailfreudig Ihre Interpretationen geschildert. Was
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