Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Laubmann 2 - Bärenzwinger

Laubmann 2 - Bärenzwinger

Titel: Laubmann 2 - Bärenzwinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
Vom Netzwerk:
der Bodenleiste und der Schlüssel für den unterirdischen Fluchtgang am falschen Haken. «Ich werde aber den Gedanken nicht los, daß noch zwei weitere für den Mordfall wichtige Schlüssel im Umlauf sind.»

S A M S T A G · 2 1 . J A N U A R
    Er hatte lange über den Mordfall nachgegrübelt, über die vielen ihm bekannten oder unbekannten Aspekte. Mancher Detektiv hätte nur mit kalter Logik nachgedacht; er hatte sich eher den Intuitionen hingegeben, die einen freilich mitunter zu voreiligen Schlußfolgerungen verführen. Trotzdem waren ihm seine Ahnungen und Feststellungen fast zur Gewißheit geworden. Ihm war jedoch, als würde ihm noch ein letzter Impuls fehlen.
    Er, Laubmann, hatte mit Ernst Lürmann besprochen, einmal mehr die sowohl getrennt als auch gemeinsam ermittelten Ergebnisse abzuklären. Es war notwendig, aus den unterschiedlichen Aussagen und Spuren das einzige, in allen Belangen schlüssige Resultat herauszufiltern, mit dem sich der Tathergang beweiskräftig rekonstruieren ließ. Die für den Mord verantwortliche Person durfte einfach nicht ungeschoren davonzukommen. Die Zeit drängte ein wenig, denn die Tagung würde am darauffolgenden Vormittag zu Ende gehen.
    Philipp hatte an diesem Samstagmorgen gewissenhafter als sonst gebetet. Er hatte im Stundenbuch des Jahreskreises nach Psalmen gesucht, die ihm eine geistig-moralische Hilfe sein konnten, eine Zuflucht. So arg er mit der Abwesenheit Gottes haderte, so sehr hoffte er doch auf ein Wort dieses Gottes, an den er glaubte. Als würde ein solches vor ihm liegen, und er müßte es nur aufgreifen, es begreifen. «Sende dein Licht und deine Wahrheit, damit sie mich leiten.» Aber wenn Gott die absolute Wahrheit und in seiner Größe unerforschlich war, wie konnte sich einem diese Wahrheit dann erschließen?
    Als Moraltheologen waren Philipp Laubmann philosophische oder theologische Unterscheidungen bezüglich des Wahrheitsbegriffes hinlänglich bekannt. Allgemein wird etwas als wahr angesehen, wenn das Behauptete mit dem Sachverhalt übereinstimmt oder wenn sich etwas im Sinne der Logik daraus folgern läßt. Eine ethische Wahrheit im gläubig-christlichen Verständnis offenbart sich von der göttlichen Wahrheit her und ist die Grundvoraussetzung aller Offenheit und allen Vertrauens im menschlichen Dasein.
    Dieses Vertrauen zu erlangen und zu bewahren, ist freilich nur durch die Wahrhaftigkeit möglich, also durch den Einklang von Denken und Fühlen mit dem Reden und Handeln. Lüge hingegen negiert jenen Einklang und mißbraucht das Vertrauen.
    ‹Und wie verhält es sich konkret?› fragte sich Laubmann. Der Mörder hatte doch alles Vertrauen grundlegend zerstört. Demnach war es für ihn eine logische Folge, daß er sich durch Lüge und Täuschung retten wollte. Wie vermochte er bloß mit der unabänderlichen Realität seiner Tat umzugehen? «In seinen Augen gibt es kein Erschrecken vor Gott», hieß es über den Frevler im 36. Psalm. Wann konnte Gott ihm aus Liebe vergeben?
    Solche theologischen Gedanken beschäftigten Philipp schon den ganzen Morgen über, ähnlich stark wie die Überlegungen zum Mordfall. Er beschloß, seine Klausur zu verlassen, um bei einem Spaziergang außerhalb der Burg mauern zwar nicht unbedingt auf andere Gedanken zu kommen, aber freier im Kopf zu werden. Den Weg zum Marcus-Grab wollte er meiden.
    In der Eingangshalle wurde er von Gisela Merten abgefangen, die ihm ein größeres braunes Kuvert aushändigte, das an der Rezeption für ihn bereitgelegen hatte.
    «Mein Vater hat es bereits gestern abend von einem Boten entgegengenommen, es mir jedoch erst vorhin reingereicht. Er hatte nicht mehr daran gedacht», rechtfertigte sie die verspätete Übergabe.
    Das Kuvert war zugeklebt und trug den Stempel des diözesanen Liegenschaftsamtes. Laubmann bedankte sich, nahm es aber mit dezentem Widerwillen in Empfang. Er ahnte, daß er auf den Spaziergang verzichten mußte. Einen Augenblick lang dachte er daran, das Kuvert an der Rezeption zu lassen, doch die Neugier obsiegte letztlich. Er riß den Umschlag auf.
    Theresia Schmitthans-Jungbauer hatte auf einem Zettel notiert, sie habe noch ein anderweitig abgelegtes Manuskript zur Burggeschichte gefunden, das sie ihm nicht vorenthalten wolle. Laubmann marschierte also wieder zu seiner Klause, aus der er so schnell nicht wiederkehren sollte, nicht einmal zum Mittagessen mit Schweinebraten.
    Als um zwei Uhr am Nachmittag die Kirchenglocken Bambergs den bevorstehenden Sonntag

Weitere Kostenlose Bücher