Laubmann 2 - Bärenzwinger
Auditorium nun seinerseits von der Geschichte des Theaters auf der Babenburg. Das klang so abwechslungsreich und unterhaltsam, daß sich einige bereits entspannt zurücklehnten.
«Einen fundamentalen Anstoß, nach der Kulissenwand zu suchen, hat mir auch die Gittertür im richtigen Bärenzwinger gegeben. Daß sie hochzufahren ist, um die Bärinnen hinein- oder hinauszulassen, habe ich zwar gestern morgen dort wahrgenommen, aber mir fiel’s erst hinterher wie Schuppen von den Augen.»
Dietmar Glaser verdarb die Stimmung. «Wir haben Sie hierher gebeten, weil wir den Täter oder die Täterin, also die Person unter Ihnen, die Professor Alfonso Forster getötet hat, zu stellen beabsichtigen. Und ich kann Ihnen versprechen, daß wir am Ende unserer Zusammenkunft den entscheidenden Schritt weitergekommen sein werden. – Herr Dr. Laubmann, bitte!» forderte ihn Glaser mit einer einladenden Geste auf.
«Wir alle hatten sie von Anfang an vor Augen», begann der Angesprochene, «und konnten sie dennoch nicht sehen: die Möglichkeit, auf völlig andere Weise in diesen Raum zu gelangen und ihn wieder zu verlassen. Für unsere Überlegungen blieben daher nur die Tür oder das Fenster als Fluchtweg übrig, die beide beim Auffinden der Leiche verschlossen waren. Das Fenster eindeutig von innen, ohne Beschädigung einer Scheibe. Deshalb wurde die Tür zu einem der gravierenden Probleme. Nach unserem Kenntnisstand muß sie im unmittelbaren zeitlichen Umfeld der Tat von außen oder von innen verschlossen worden sein.»
«Das heißt freilich nicht», ergänzte Lürmann, «daß durch die Entdeckung der Kulissenwand viele der von Ihnen gemachten Beobachtungen sowie die vorgebrachten Alibis falsch oder unbrauchbar sind; sie erhalten bloß einen anderen Stellenwert.»
Erneut ergriff Laubmann das Wort: «Für unseren Mörder war es wichtig, sein Opfer in den Besprechungsraum zu locken, und zwar zu einer Zeit, in der voraussichtlich niemand sonst hier zugegen sein würde. Die privaten Tagungsunterlagen Alfonso Forsters waren dafür das geeignete Mittel.
Vielleicht schon am späten Nachmittag, etwa nach der Burgbesichtigung, oder während des Abendessens hat der Mörder sie aus dem verlassenen Konferenzsaal entwendet und sie im Besprechungszimmer auf den Stuhl gelegt, neben dem die Leiche später gefunden wurde. Zugleich konnte er kontrollieren, ob der sogenannte ‹Bärenzwinger› auch leer war. Daß Professor Forster seine Unterlagen vor Beginn der Abendveranstaltung gesucht hat, wurde bezeugt.»
Bebenhausen nickte zustimmend.
«Der Mörder begibt sich im Hochparterre in den ungenutzten Gästetrakt, der sich hinter der Kulissenwand befindet, um den Zugmechanismus zu betätigen. Zuvor jedoch verschließt er die alte Eichentür, die den rückwärtigen Teil des Gangs vom vorderen trennt. Ich vermute, um vom Gästetrakt her nicht gestört zu werden. Er mußte dazu nur den von außen steckenden Schlüssel auf der Innenseite der Tür anbringen. Wenig später hebt sich die Wand, wie wir es Ihnen demonstriert haben, und er schlüpft in diesen Raum. Einziger Nachteil, der Mechanismus läßt sich nur von draußen bedienen.»
«Was aber, wenn zwischenzeitlich doch jemand den Raum betreten hätte?» wandte Hanauer ein.
Laubmann wollte seinen Vorgesetzten nicht belehren, weshalb Lürmann die Antwort gab. «Angenommen, der potentielle Mörder wäre ertappt worden, dann hätte er dieses Kuriosum als ein solches präsentiert. Denn der Mord war noch nicht geschehen. Er hätte sich allerhöchstens einen neuen Plan ausdenken müssen.»
«Niemand war hier», fuhr Laubmann fort. «Er kann ergo an seinem Vorhaben festhalten und bereitet die Tat weiter vor, indem er – um nicht gesehen zu werden – die Vorhänge ganz schließt, das Licht einschaltet und einen Blick in den Verbindungsgang zum Konferenzsaal wirft, ob sich eventuell dort jemand aufhält. Er verbirgt den Kerzenständer, seine Mordwaffe, an einer für ihn günstigen Stelle, also griffbereit, und wartet ‹unschuldig› auf dem Sofa sitzend auf sein Opfer, als wär es ein Idyll.
Die Osterkerze, die vorher auf dem Messingständer befestigt war, sorgfältig an die Wand zu lehnen, war übrigens ein kleiner Fehler seinerseits, weil das auf eine geplante Tat hinwies und nicht auf eine Tat im Affekt wie die nachher neben der Leiche fallengelassene Mordwaffe. Eine Affekthandlung hätte diejenigen unter Ihnen besonders verdächtig gemacht, die einen aktuellen Streit mit Alfonso Forster
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