Lauf des Lebens
euch, bevor es jemand anders tut“, sagte sie leise. „Richard und ich haben uns getrennt.“
Dione hielt vor Schreck die Luft an. Richard und Serena schien es in den letzten Wochen so gut miteinander gegangen zu sein, dass sie sich gar keine Sorgen mehr um die beiden gemacht hatte. Sie warf Blake einen raschen Blick zu und war abermals geschockt – diesmal von der Veränderung seiner Miene. Sie kannte ihn lachend, liebevoll, neckend, verärgert, ja sogar besorgt, aber sie hatte ihn noch nie so todernst und angespannt gesehen. Mit einem Schlag wurde ihr bewusst, dass sie von der wahren Kraft seiner Persönlichkeit bislang noch gar nichts mitbekommen hatte, weil er sich mit Rücksicht auf sie immer mäßigte. Jetzt, in dem festen Willen, seine Schwester zu beschützen, kam eine unerbittliche Härte zum Vorschein, eine Härte wie die von blankem Stahl.
„Was soll ich tun?“, fragte er Serena in gefährlich ruhigem Ton.
Serena sah ihn an und lächelte sogar dabei. Ihre Augen quollen über vor Liebe. „Nichts“, antwortete sie schlicht.„Das ist eine Sache, die ich selbst mit Richard regeln muss. Und Blake, lass bitte nicht eure berufliche Partnerschaft darunter leiden. Es ist eher meine Schuld als seine, deshalb wäre es nicht fair, wenn du es ihm ankreiden würdest.“
„Wieso ist es deine Schuld?“, knurrte er.
„Weil ich nicht rechtzeitig erwachsen geworden bin und meine eigenen Prioritäten nicht erkannt habe, bis es fast zu spät war“, sagte sie. Wie bei Blake lag jetzt auch bei Serena eiserne Entschlossenheit in der Stimme. „Dennoch: Ich werde ihn nicht kampflos aufgeben. Stell mir bitte keine weiteren Fragen, ich würde sowieso nicht antworten. Richard ist mein Mann, und das Ganze ist allein unsere Angelegenheit.“
Blake musterte sie eine Weile schweigend, dann nickte er unmerklich. „Okay. Aber du weißt, dass ich alles Erdenkliche tun werde, um dir zu helfen, sobald du mich darum bittest.“
„Natürlich weiß ich das“, sagte sie. Ihr Gesicht wirkte schon entspannter. „Aber ich muss es einfach alleine hinkriegen. Ich muss endlich lernen, meine Suppe selbst auszulöffeln.“ Während sie das sagte, warf sie Dione einen schnellen Blick zu, der besagte: Schau, wenigstens versuche ich es. Dione nickte anerkennend. Als sie aufsah, merkte sie, dass Blake ihre wortlose Kommunikation beobachtet hatte und sie nun ebenfalls mit grimmiger Entschlossenheit anstarrte. Dione begegnete seinem forschenden Blick mit undurchdringlicher Miene. Er konnte ihr noch so viele Fragen stellen, sie musste nicht antworten. Wenn Serena ihren Bruder wissen lassen wollte, dass Dione versuchte, die Geschwister auf Distanz zu bringen, dann würde sie es ihm erzählen. Wenn nicht, musste Blake selbst dahinterkommen. Richard und Serena konnten jedenfalls keine weitere Einmischung in ihre Ehe gebrauchen. Und wenn Blake erst einmal begriff, dass er die Hauptursache für die Trennung war, dann würde er auch sehr wohl in der Lage sein, sich persönlich mit Richard auseinanderzusetzen.
Später, in der Nacht, als Dione nach ihrem Liebesspiel benommen und erschöpft dalag, fragte Blake sie träge: „Was geht da vor zwischen Serena und dir? Die vielen bedeutungsschweren Blicke müssen doch irgendetwas zu sagen haben.“
Ein heimtückischer Überfall, dachte Dione und versuchte, ihre Sinne zu sammeln. Blake hatte sie geliebt, wie jeden Abend, und hatte dann gewartet, bis sie fast eingeschlafen war, um sie mit seiner Frage zu überrumpeln. Um ihn erst einmal auszubremsen und Zeit zu gewinnen, kuschelte sie sich an ihn und ließ ihre Hand langsam und liebkosend an ihm hinabgleiten. Als sie seine Schenkel erreichte, wurde sie damit belohnt, dass sich sein ganzer Körper lustvoll anspannte.
„Da war nichts“, murmelte sie und drückte weiche, warme Küsse auf seine Brust. „Es ging nur um ein Gespräch, das wir bei unserer großen Einkaufstour geführt hatten, bei der wir all die sexy Outfits gekauft haben, die du so magst. Serena muss eine heimliche Vorliebe für unanständige Unterwäsche haben. Die meisten der hauchdünnen Nachthemdchen hat sie ausgesucht – und dann hat sie mir noch diesen Body zu Weihnachten geschenkt.“
Stählerne Finger klammerten sich um ihr Handgelenk. Dann schob er ihre Hand von seinem Körper. Er beugte sich zur Lampe hinüber und knipste sie an. Augenblicklich war der Raum in helles Licht getaucht. Dione beobachtete ihn. Sie wusste, dass er jede noch so kleine Regung auf ihrem Gesicht
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