Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Haus holen,
eine Fertigfamilie, um jene zu ersetzen, die er verloren, die sie ihm genommen hatte. Und Michael würde wieder glücklich sein. Und Jane würde - sie würde in einer Anstalt oder unter der Erde sein. Wo war da der Unterschied? Letztendlich kam es auf das gleiche heraus.

23
    Sie saßen in Michaels Wagen auf einem großen Parkplatz in der St. James Avenue, gleich um die Ecke vom Greyhound-Busbahnhof.
    »Alles in Ordnung, Jane? Fühlst du dich wirklich kräftig genug, das anzupacken?«
    Warum fragte er sie das? Der Einfall, sich ins Auto zu setzen und auf Schatzsuche nach Boston hineinzufahren, stammte nicht von ihr. Michael hatte sich das ausgedacht. Michael hatte sie, als er sie am vergangenen Abend ins Bett gepackt hatte, ganz beiläufig gefragt, was aus den zehntausend Dollar geworden sei, die sie von ihrem gemeinsamen Konto abgehoben hatte.
    Im ersten Moment konnte sie sich kaum erinnern, wovon er sprach - das alles schien vor langer, langer Zeit einer fremden Person geschehen zu sein -, aber nachdem er mehrmals vorsichtig nachgehakt hatte, konnte sie sich schließlich erinnern, wo sie das Geld versteckt hatte. Er hatte über ihre Listigkeit gelächelt, ganz besonders, als sie ihm sagte, daß sie den Schlüssel zu dem Schließfach unter der Innensohle eines ihrer Schuhe verborgen hatte. Sie hatte sich nicht entsinnen können, welche Schuhe es gewesen waren. Er hatte sie alle untersuchen müssen.
    Sie hatte nicht erwartet, ihn begleiten zu müssen, aber sie hatte eben nicht daran gedacht, daß Samstag war und Paula an den Wochenenden frei hatte. Sarah und Diane hatten am Morgen
angerufen und vorgeschlagen, sie zu besuchen, und er hatte beiden das gleiche gesagt. Daß er mit Jane nach Boston fahren wolle, um ihr endlich den Brillantring zu kaufen, den er ihr schon so lange versprochen hatte. Ja, er hoffe, das würde sie ein wenig aufmuntern. Er würde sich später wieder melden und berichten, wie Jane reagiert hatte. Von dem Abstecher zum Greyhound-Busbahnhof erwähnte er nichts. Eigentlich nicht weiter verwunderlich, dachte Jane. Was hätte er denn sagen sollen? Daß er sich das Geld wiederholen wollte, das sie vom gemeinsamen Konto gestohlen hatte, ehe sich ihr Gedächtnis ausgeklinkt hatte? Selbst gute Freunde wollten manches lieber nicht hören.
    »Kann ich nicht im Wagen warten?« fragte Jane. Jedes Wort klang ihr so fremd in den Ohren, als spräche sie eine bekannte Sprache. Woher nahm sie überhaupt die Kraft zu sprechen, wo sie sich doch nur im weichen Ledersitz des Wagens zusammenrollen und schlafen wollte.
    »Du brauchst ein bißchen Bewegung«, entgegnete Michael. »Komm, Jane. Der kleine Spaziergang wird dir guttun. Du kannst nicht Tag für Tag immer nur herumsitzen. Du mußt anfangen, wieder ein bißchen aktiv zu werden.«
    Warum? wollte sie fragen, machte sich aber nicht die Mühe. Es war schon ein Witz - als sie gerne unter Menschen gegangen wäre, hatte Michael es ihr verweigert, und jetzt, als sie nur in ihrem Bett bleiben und in Ruhe gelassen werden wollte, bestand er darauf, mit ihr Spaziergänge zu machen und im Auto herumzukutschieren. Als sie sich verzweifelt gewünscht hatte, ihre Freunde zu sehen, mit ihnen am Telefon zu sprechen, hatte er behauptet, das wäre nicht gut; doch in den letzten Tagen, seitdem sie zu schwach und zu elend war, ihnen auch nur ins Gesicht zu sehen, wurde sie ständig wie auf dem Präsentierteller herumgereicht. Wo war da die Gerechtigkeit? Wo war die Logik?
    »Komm«, sagte er wieder und diesmal stieg er aus. Er kam um den Wagen herum und öffnete ihr die Tür. Sie wußte, daß er sie
nicht allein im Wagen zurücklassen wollte, weil er fürchtete, sie könnte wieder flüchten, davonlaufen und ihn allein zurücklassen. Wieso konnte er nicht begreifen, daß das ohne Zweifel die beste Lösung für alle ihre Probleme gewesen wäre?
    Statt dessen half er ihr - nein, er zog sie aus dem Wagen auf die Straße, in ihrer dunkelblauen langen Hose und der weißen Bluse mit dem Matrosenkragen, die eher zu einer Zwölfjährigen gepaßt hätte, und mit dem ordentlich gebürsteten, straff zum Pferdeschwanz hochgebundenen Haar. Er lächelte ihr zu, während er sie mit viel gutem Zureden auf die Straße hinauslotste und ihr versicherte, daß sie es schaffen würde, er wüßte es genau. Und dann gingen sie, ja, sie gingen tatsächlich, obwohl sie ihre Füße gar nicht spürte, um die Ecke zum Greyhound-Busbahnhof.
    Die Sonne schien. Die Temperatur betrug angenehme 24 Grad,

Weitere Kostenlose Bücher